11 Fakten über Blue Notes Records


1. Blue Note ist das Kind zweier deutscher Jazz-Fans.

Das wohl einflussreichste Jazzlabel aller Zeiten wurde von den beiden Berliner Emigranten Alfred Lion und Frank (später: Francis) Wolff vor 70 Jahren, Anfang 1939 in New York aus der Taufe gehoben. Der Labelname leitet sich ab von der in Blues und Jazz üblichen Bezeichnung für die verminderte Terz und Septime.

2. Mit Thelonious Monk begann die erste „moderne“ Phase der Labelgeschichte.

Zunächst hatte Alfred Lion vor allem traditionellen Jazz und Boogie veröffentlicht. 1947 stieß der Pianist und Jazz-Neuerer Thelonious Monk zum Label, ihm folgten bald weitere Größen des modernen Jazz wie Bud Powell, Miles Davis, Sonny Rollins und John Coltrane. Die einzige stilistische Maxime seiner Repertoirepohtik äußerte Alfred Lion gern in breitem Einwanderer-Amerikanisch: „It must schwing!“

3.Aus Geldmangel stieg Blue Note erst spät auf Vinyl um.

Zwar wurden Vinyl-LPs bereits 1948 eingeführt, Alfred Lion scheuteaberzunächst die Investition, seinen ganzen Backkatalog auf Vinyl nachpressen zu müssen. Erst 1951 stieg Blue Note um: mit einer Dixieland-LP-Serie. Qualität war den Blue-Note-Chefs wichtig: Sie zahlten ihren Musikern mehr Probentage als die Konkurrenz und vertrauten ab 1953 alle Produktionen dem legendären Toningenieur Rudy van Gelder an.

4. Die LP-Covers des Labels setzten Maßstäbe für die gesamte Schallplattenkultur.

Die Blue-Note-Grafiker, allen voran Reid K. Miles, pflegten eine ungewöhnliche und enorm einflussreiche Typografie und Bildsprache, dabei kam ihnen zu Hilfe, dass Labelmitgründer Francis Wolff bei vielen Aufnahmcsessions stimmungsvolle Fotos der Musiker schoss, die den steifen PR-Bildern der Konkurrenzfirmen damals weit voraus waren. Mitte der 50er durfte sich ein junger Nachwuchsgrafiker namens Andy Warhol mit ein paar Zeichnungen auf Blue-Note-Plattenhüllen verewigen.

5. Bud Powell wollte die Katze seines Labelchefs ermorden.

Abseits des Studios waren manche der Blue-Note-Künstler schwierige Zeitgenossen. Den Pianisten Bud Powell etwa, einen von seiner Militärzeit traumatisierten Junkie, brachte Labelchef Lion zeitweilig in seiner Privatwohnung in New Jersey, unter – wo der Musiker einmal beinahe mit dem Küchenmesser Lions Hauskatze abgestochen hätte, weil sie beim Frühstück auf den Esstisch sprang.

6. Wenn Alfred Lion und Francis Wolff im Studio tanzten, war alles gut.

Der Saxophonist Lou Donaldson erinnert sich: „Wenn Sessions zäh anliefen, saß Alfred oft unruhig im Sessel, als warte er auf irgendwas. Aber wenn er aufsprang, weil ihm der Groove gefiel, und er und Frank im Kontrollraum zu tanzen begannen, wussten wir, dass wir auf dem richtigen Weg waren.“

7. Mit den funky Grooyes von Horace Silver kam für Blue Note der Durchbruch.

Ab Mitte der 50er war der Pianist Horace Silver einer der populärsten Stars des Hardbop, einem Stil, der der Komplexität des Bebop eine stärkere Rückbindung auf Blues- und Gospelwurzeln entgegensetzte und auch in die Jukeboxes der schwarzen Stadtviertel Einzug hielt. Neben Silver machten auch Clifford Brown, Lou Donaldson und später Herbie Hancock Blue Note zum führenden Hardbop-Label. Diese Phase entpuppte sich in den 90ern als wahrer Steinbruch für Sample-wütige HipHopper.

8. Der erste Chart-Hit in der Firmengeschichte führte zum Verkauf des Labels.

„The Sidewinder“, ein tunky Hardbop-Track des Trompeters Lee Morgan, wurde zum Jukebox-Jazzhit des Jahres 1964 und hievte das gleichnamige Album in die Billboard-Charts. Die Bestellungen der Händler brachen so massiv über Blue Note herein, dass die kleine Firma kaum die Nachpressungen vorfinanzieren konnte. Ohnehin gesundheitlich angeschlagen, verkauften Lion und Wolff 1965 ihr Label an Liberty. In den 70ern verlor Blue Note den Anschluss an die damals von Jazzrock dominierte Jazzszene. 1979 landete das Label schließlich bei Capitol Records, die es umgehend still legten.

9. Die „Young Lions“ verhalfen Blue Note zur Wiedergeburt.

Als in den 80ern das Interesse am Jazzrock erlahmte, feierte eine neue Generation junger, wieder Bop-begeisterter Musiker, genannt „Young Lions“ etwa die Marsalis-Brüder Wynton und Branford sowie Joshua Redman —, überraschende Erfolge. Auch Reissues klassischer Jazzalben waren plötzlich wiedergefragt. Da ließ Capitol Blue Note Records wieder aufleben.

10. Ein HipHop-Act brachte Blue Note wieder in die Charts.

Das stilistisch nun breiter aufgestallte Label hatte in den 90er Jahren mit den Jazz-HipHoppern US 3 (die aus einem Sample aus Herbie Hancocks Hardbop-Klassiker „Cantaloupe Island“ den Hit „Cantaloop“ bastelten), und seit 2002 mit dem angejazzten Songwriterpop von Norah Jones Millionenseller. Mit der Remix-Albenserie BLUE NOTE TRIP zielt man auf die Clubs.

11. Sein 70-jähriges Jubiläum feiert Blue Note in diesem Jahr mit einer Serie von Veröffentlichungen.

Unter den Projektnamen „The Blue Note 7“ veröffentlichten Stars des heutigen Jazz wie der Trompeter Nicholas Payton und der Saxophonist Ravi Coltrane gerade das Album MOSAIC: A CELEBRATION OF BLUE NOTE (Kritik auf S. 86) mit Standards aus dem Label-Katalog. Inzwischen betreibt die deutsche Niederlassung auch einen eigenen Downloadstore.

www.bluenote.de