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Seinen Thron verteidigte Eminem 2002, indem er sich erstmals als Mann mit Gewissen inszenierte.

An keinem Rapstar ist der Ruhm so spurlos vorbeigegangen wie an Marshall Mathers III. Nichts Glamouröses ist an einem jungen Mann zu entdecken, der sich seit „The Slim Shady-LP“ 1999 von einem mittellosen Herumtreiber zu einem der reichsten Entertainer der Welt entwickelt hat. Seine Haut ist blass und immer ein bisschen unrein, sein Hintern – zu überprüfen jüngst bei den MTV Awards in Barcelona – gleich bleibend untrainiert und flach. Lediglich sein großes Maul wird immer größer, seine Pointen werden pointierter und sein Reimfluss flüssiger, „I learned to ride a beat better“, erklärte er kürzlich selbstkritisch. „An meiner zweiten LP nervt mich, dass ich mich noch nicht wirklich in den Beat fallen lassen konnte. Und die erste ist [in dieser Hinsicht] grauenvoll.“

Der größte Star seiner Generation konnte 2002 mit einigen Überraschungen aufwarten; dass er sich künstlerisch nochmal verbesserte, war dabei nicht die größte. Auch lehrt die Vergangenheit, dass extrem talentierte Performer nicht selten auch gute Schauspieler abgeben: Zwar klagte Eminem nach den Dreharbeiten zu „8 Mile“ wie auch Björk bei „Dancer In The Dark“ über den enormen Kraftaufwand, der ohne schauspielerische Ausbildung erforderlich ist, um Gefühle über eine Leinwand zu transportieren, doch schlüpfte er in die Rolle des „Rabbit“ mit dergleichen überzeugenden Hingabe wie in die des „Slim Shady“. Niemand – und am allerwenigsten seine Kritiker- hatten jedoch damit gerechnet, dass der bisher beeindruckend unbeugsame Rapper erstmals ganz sanft dem Druck nachgeben würde, der seit Jahren auf seinen Schultern lastet: „Dass die Leute dachten, dass ich fluchen muss, um Platten zu verkaufen, war frustrierend. Deshalb hab ich den Schock-Faktor auf dieser CD ein bisschen runtergeschraubt“, gab Eminem zu. Zwar beschimpfte er auch auf „The Eminem Show“ alles und jeden, doch suchten die Advokaten der Zensur vergeblich nach den Extremen, die einzelne Tracks auf den vergangenen LPs grenzwertig abstoßendwerden ließen. Und es war wohl auch mehr als ein Zugeständnis an Hollywood-übliche Erzählstrukturen, dass der scheinbar homophobe Eminem als „Rabbit“ in „8 Mile“ bei einem Wortgefecht Partei für einen verspotteten Homosexuellen ergriff. Man mag es clever oder einfach nur menschlich finden, dass Marshall zu seiner Entlastung 2002 den Kritikern den Wind aus den Segeln nahm. Für die Zukunft jedenfalls würde ihm ein humorvellerer Umgang mit Kollegen gut zu Gesicht stehen. So fertigte er sowohl Moby als auch Rap-Veteran „Benzino“ Scott, der Eminem als „2003 Vanilla Ice“ bezeichnete, mit dergleichen einfältigen Antwort ab:. You’re too old.“