5 Fragen an Francoise Cactus
Die Stereo-Total-Sängerin über fürsorgliche Tanten, verlorene Mädchen, Nico-Phasen, deutsche Musik und die Rettung der Welt.
1 „Babystrich“ und „Partymädchen gefoltert“ gehören zu den härteren unter euren Mädchenliedern. Habt Ihr die Fürsorgepflicht für die Mädchen dieser Republik übernommen ?
FRANCOISE CACTUS: Das Lied „Partymädchen gefoltert“ ist autobiografisch. Als ich das erste Mal auf einer Party war, mit 11 vielleicht, kam ich da als gut erzogenes Mädchen an. Dann fragten die Jungs diese unglaublichen Sachen: Bist du Mädchen oder Frau, masturbierst du? Ich war wie gelähmt – was sage ich denn jetzt? „Babystrich“ haben wir für den Christiane-F.-Abend in Berlin geschrieben, die Geschichte vom Teenie-Mädchen, das wegen seiner Drogensucht anschaffen geht. Da werde ich dann schon ein bisschen fürsorglich, ich bin ja auch eine gute Tante, na ja eine Big Sister.
2 Die Coverversion von Nicos „Chelsea Girls“ habt ihr dann für die großen Mädchen auf die Platte genommen, richtig?
Zufällig passt „Chelsea Girls“ ganz gut zu „Babystrich“: die verlorenen Drogenmädchen in New York, wenn man so will. Dieses Lied wollte ich schon damals bei den Lolitas, meiner früheren Band, singen. Aber doppelt so schnell wie im Original. Das kam daher, dass ich die Platte von Nico mit falscher Geschwindigkeit abgespielt hatte. Hörte sich total klasse an. Mit den Lolitas wollte ich das als Rock’n’Roll spielen, aber bon, irgendwie sind wir nicht dazu gekommen. Dieses Jahr hatte Brezel (Göring, ihr Stereo-Total-Partner; die Red.) eine Nico-Phase, er hat praktisch nur noch Nico gehört, im Auto und überall, das war schon etwas deprimierend. Wir haben „Chelsea Girls“ absolut live gespielt, Brezel warf seinen Korg-Synthie an, so ein Geblubber, ich wusste nicht, wo ich war, und habe einfach schneller dazu gesungen.
3 Ihr singt deutsch, französisch und englisch – wie kommt bei euch der Ruf nach einer Quote für neue deutschsprachige Musik im Radio an?
Ich finde diese Diskussion komplett albern und lächerlich. Ich bin nicht für deutsche oder deutschsprachige Musik, ich bin für gute Musik. Was ich befürchte: Wenn es diese Quote gibt, werden nur noch Scheiß-Schlagerund die Toten Hosen gespielt. Oder Rammstein. Nichts gegen die Toten Hosen … Ich glaube nur nicht, dass die kleinen Bands von der Quote profitieren. Wenn wir jetzt in Deutschland viel mehr deutsche Musik spielen und rufen „Jetzt schämen wir uns für nichts mehr“, dann finde ich das sehr unangenehm. Tocotronic und Blumfeld würden vielleicht aus Protest anfangen, englisch zu singen, das ist aber auch keine gute Idee. Warum soll ich aufhören, deutsch zu singen, wenn mir das Spaß macht? Ich bin ja eine Touristin hier, und zwar schon länger. Und als Touristin kann ich mich über Deutschland eigentlich nicht so beklagen. Ich habe aber lange Zeit gedacht, dass Deutschland ein angenehmer Ort ist, weil die Deutschen nicht so viel mit der Nation und der Nationalität am Hut haben. Jetzt wollen die Deutschen auf einmal auch so so doof sein wie die anderen.
4 Wie heißt dein gesungener Lieblingssatz?
Auf unserer neuen Platte? „Wenn ich ein Känguruh hin, was bist du? Eine Kängurette.“ Ich weiß, das ist total albern, aber ich finde das gut. Und sonst (zögert lange) : Phhhh! Ich glaube, „La Javanaise“, ein Lied von Serge Gainsbourg: „Das Lehen ist es nicht wert, ohne Liebe gelebt zu werden, aber Sie haben es so gewollt, meine Liebe!“
5 Wie kann man auf einem Plattencover nur so fertig aussehen?
Das war unsere Idee, wir wollten ganz deprimiert und schwarz aussehen. Als Kontrast kommt dann dieses total kitschige Bambi dazu. Wenn wir da gelächelt hätten und alles schön bunt gewesen wäre, hätte das nicht die Wirkung erzielt, die wir haben wollten – eijeijei, ist die Welt schlecht, aber Gott sei Dank ist das kleine Bambi da! Bambi rettet die Welt. Ehrlich.
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