5 politische Deutschrap-Alben (3): Waving The Guns‘ EINE HAND BRICHT DIE ANDERE ist ein Soundtrack für die widerständige Zivilgesellschaft
Bekannt wurden sie mit Feine Sahne Fischfilet: Auf EINE HAND BRICHT DIE ANDERE stehen Waving The Guns in permanenter Alarmbereitschaft angesichts einer drohenden faschistischen Machtergreifung.
Deutschsprachiger Rap wird in der Öffentlichkeit oftmals als unpolitisch und affirmativ wahrgenommen. Dieser Wahrnehmung setzen wir eine fünfteilige Serie mit den besten politischen Alben der vergangenen Jahre entgegen und zeigen so, dass Deutschrap abseits der ganz großen Charthits durchaus auch als gesellschaftliches Korrektiv fungieren und eine präzise Kritik an den herrschenden Verhältnissen formulieren kann. Dieses Mal geht es um das Album EINE HAND BRICHT DIE ANDERE von Waving The Guns.
Waving The Guns: Erste Aufmerksamkeit durch Skandal-Song mit Feine Sahne Fischfilet
Das erste Mal größere Bekanntheit erlangte die Rostocker Rap-Crew Waving The Guns (WTG), als sie 2014 die Punkband Feine Sahne Fischfilet auf Tour begleiteten und kurze Zeit später einen gemeinsamen Song mit der Band aufnahmen, der hohe Wellen schlagen sollte. Denn auf dem Song „Wut“, in dem es um Abschiebungen und den Beruf des Polizisten geht, rappt Milli Dance von WTG in der zweiten Strophe folgende Zeilen: „Ich mach mich warm, weil der Dunkelheitseinbruch sich nähert / Die nächste Bullenwache ist nur einen Steinwurf entfernt.“
Während einige in der Zeile ein unterhaltsames, polizei-skeptisches Wortspiel erkannten, identifizierten andere die Line als unverhohlenen Aufruf zu Gewalt gegen die Exekutive. Zahlreiche Politiker und Medien kritisierten die Zeile, erkannten aber nicht, dass sie von Milli Dance gerappt wurde. Stattdessen schrieben sie die Textpassage Feine Sahne Fischfilet zu und versuchten so die Band zu delegitimieren. Die Band Waving The Guns profitierte aber dennoch von der entstandenen Aufmerksamkeit und konnte mit ihrem im selben Jahr veröffentlichten Debütalbum TOTSCHLAGARGUMENTE bundesweit in der linken Szene Aufmerksamkeit generieren. Zwei Jahre später erschien mit EINE HAND BRICHT DIE ANDERE das zweite Album der Band, um das es an dieser Stelle gehen soll.
EINE HAND BRICHT DIE ANDERE: Permanente Alarmbereitschaft
Mitten in der Debatte um die vermeintliche „Flüchtlingskrise“, dem Erstarken der AFD und die in deutschen Talkshows täglich mitanzusehende Diskursverschiebung nach rechts, setzten Waving The Guns mit ihrem Album eine klare Botschaft: Ohne uns! Auf ihrem Track „Zapfhahn“ verschanzt sich das lyrische Ich vor dem öffentlichen Diskurs im „Kaltland“ angeekelt mit Teleskopstab zur Selbstverteidigung in einer Kneipe und kippt sich ordentlich einen rein – als subversive Geste in der von protestantischem Arbeitsethos geprägten Bundesrepublik:
„Gerade in diesen verrückten Zeiten
In denen alles möglich scheint
Scheint mir „Ich löt mir ein‘ rein“
Durchweg vernünftig zu sein
Es ist die subversive Art
Lebensfeinden etwas entgegenzuhalten
Von AfD bis Islamischen Staat“
Waving The Guns sind auf EINE HAND BRICHT DIE ANDERE im permanenter Alarmbereitschaft angesichts einer drohenden faschistischen Machtergreifung. Das mag man als übertrieben empfinden, oder angesichts von AFD-Wahlergebnissen von weit über 20 Prozent bei Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen als sehr reale Gefahr.
Sound für die widerständige Zivilgesellschaft
Auf dem Song „Endlich wird wieder getreten“ entlarven die Rostocker sehr die Masche von rechtspopulistischen und rechtsextremen Kräften, die Wut prekär Beschäftigter und vom Sozialstaat aufgegebener Menschen durch flüchtlings- und ausländerfeindliche Rhetorik zu kanalisieren und für ihre Zwecke nutzbar zu machen:
„Gruß an Rostocks zündelnde Strumpfmasken-Feiglinge
Zumindest alljene, die unbeschränkt genug sind zu wissen, dass Flüchtlinge das falsche Ziel berechtigter Wut sind
Entschließt du dich nach unten statt oben zu zielen
Ist dir offensichtlich ein Platz am Tisch der Obrigkeit lieber
Und du bist ein Feigling und kein honoriger Krieger“
Mit EINE HAND BRICHT DIE ANDERE liefern Waving The Guns den Sound für all jene, die sich in jenen Landstrichen gegen Nazis stellen, die andere als „Dunkeldeutschland“ schon abgeschrieben haben. Für jene, die trotz Widerständen zivilgesellschaftliches Engagement zeigen und so ihre Gegend ein Stück lebenswerter machen. Und für alle, die sich angesichts marodierender Nazis, rechter Diskurse im Abendprogramm und grassierender neoliberaler Dogmen nach einem musikalischen Korrektiv sehnen.
In Teil 1 dieser Serie beschäftigten wir uns mit Zugezogen Maskulins ALLE GEGEN ALLE, in Teil 2 mit Disarstars DEUTSCHER OKTOBER. In Teil 4 wird es um Prinz Pis REBELL OHNE GRUND gehen.