Instrumentenkunde Paiste 2002


Die Technik: Die Welt ist voller Missverständnisse. Für die meisten Laien sind Schlagzeugbecken wahrscheinlich Blechdeckel, auf die man eben draufhaut. Reines Zubehör, das es offenbar in unterschiedlichen Größen und Formen gibt, aber bestimmt kein seriöses Musikinstrument. Dabei ist die Beckenherstellung eine Wissenschaft für sich, mit uralten Rezepten wird da hantiert, mit geheimen Legierungen, mit Gussöfen,Schmiedehämmern und Drehbänken. Alchemie zum Wohle der Musik. Und aus Blech sind die klingenden Scheiben auch nicht: Glockenbronze ist das traditionelle Material, also eine Legierung aus Kupfer mit meist zwanzigprozentigem Zinnanteil. Dazu Spuren von Gold Silber oder Phosphor. So wird das seit Jahrhunderten gemacht, vor allem in China und der Türkei. So ist es richtig. Es muss aber auch anders gehen. Dachten sich die Brüder Robert und Thomas Paiste. Sie reduzierten den = Zinnanteil auf acht Prozent, was die Herstellung verbilligte. Nun sind billigere Zutaten nicht zwangsläufig ein Garant für bessere Ergebnisse, doch die neue Legierung hatte tatsächlich Vorteile: Sie klang nicht besser als die traditionelle Rezeptur, aber erstaunlich anders. Und diese Andersartigkeit entpuppte sich als Volltreffer. Paiste war plötzlich der Kaiser unter den Beckenbauern.

Die Geschichte: Der gebürtige Este Mikhail Paiste verkaufte bereits im zaristischen Russland selbst produzierte Becken, musste nach der Oktoberrevolution jedoch in seine Heimat zurückkehren. Paiste zog weiter nach Polen, Deutschland und schließlich in die Schweiz, wo seine Nachfahren seit 1957 das Hauptquartier leiten. Als der Rock’n’Roll aufkam, gerieten traditionell hergestellte Becken mitunter an ihre Grenzen-sie mochten sensibel ansprechen und toll klingen, konnten sich gegenüber elektrisch verstärkten Instrumenten aber nicht mehr ordentlich durchsetzen. Als Mitte der 6oer die ersten leistungsstarken Verstärker auftauchten, konterte Paiste mit den Becken der“Giant Beat“-Serie. Die neue, billigere Legierung konnte mit E-Gitarren wesentlich besser mithalten, was damalige Rockdrummer begeisterte. Paiste verfeinerte das Konzept und stellte 1971 die „2OO2“-Serie vor: Die ersten Becken, die für Rockmusik konzipiert wurden, entwickelten sich zum Dauerbrenner. Das große Plus der ständig erweiterten „2oo2“-Reihe war und ist der enorme Dynamikumfang: Leise gespielt, klingen die Becken fein und differenziert, doch wer will oder muss, kann die aufgrund des hohen Kupferanteils rötlich schimmernden Teller auch gnadenlos quälen. 1986 stellte Paiste die Serie ein, die Zeit schien reif für ein Nachfolgemodell. Doch anhaltende Nachfrage sorgte schon 1988 für eine Wiederauflage. Seitdem wird die „2O02“-Serie ununterbrochen produziert.

Die Anwender: Die Rock-Trommelgötter der 70er machten den Anfang: lan Paice (Deep Purple), Keith Moon (The Who), John Bonham (Led Zeppelin) und Carl Palmer (Emerson, Lake & Palmer) droschen auf „2002“-Becken ein, was den Absatz beflügelte. Bis heute wird die „2OO2“-Reihe von Drummerinnen allerlei Couleur bevorzugt, darunter Nick Mason (Pink Floyd), Meg White (The White Stripes),Stewart Copeland (The Police), Samuel Giers (Mando Diao) und Phil Rudd (AC/DC).