Dancing Queens Of The Stone Age?
Wie sich die Zeiten ändern: Statt sich von Drogen inspirieren zu lassen, setzen Primal Scream heute auf ABBA und QOTSA.
Die „Lebensretter des Pop“-so betitelte der musikexpress Primal Scream vor beinahe 2O Jahren, 1989 – schauen entspannt aufs träge vorbeiziehende Wasser, loben das altmodische Kassettenaufnahmegerät der Reporterin und trinken Orangensaft ohne was drin. Die Drogen überlassen Sänger und Songschreiber Bobby Gillespie und Bassist Gary „Mani“ Mounfield heutzutage anderen. Nicht ein mal reden wollen sie über ihr einstiges Lieblingsthema noch. Das ist einerseits schade-Gillespie zum Beispiel, als er noch darüber redete:
„Früher haben nur Musiker wie ich Kokain genommen, heute ist das ein Mainstream-Phänomen“-, andererseits interessiert die Frage, ob Primal Scream anno 2008 überhaupt noch etwas zu sagen haben, eh mehr. Es sind immerhin 17 Jahre seit ihrem besten Album screamadeuca, seit der Miterfindung von Rave, seit Dance meets Rock, seit Acid-House. Danach verhedderte sich die Band aus Glasgow im Bestreben, sich nicht zu wiederholen, in „urbanem Blues“(Gillespie),Techno, Dub und Psychedelica, mal mehr, mal weniger toll-ein zweites „Loaded“ kam dabei jedenfalls nicht mehr raus.
Jetzt also das neue Album beautiful future. Inspiriert von „Glam Pop, Gary Glitter, Buddy Holly und The Archers“, wie Gillespie sagt. Und von ABBA. In deren Haus-Studio in Schweden nahm die Band fünf Songs mit Björn Yttling von Peter, Björn and John auf. Sie spielten auf demselben Klavier, das Benny Andersson auf“Dancing Queen“ bediente, sie benutzten die Marimba, die in „Knowing Me, Knowing You“ und „S.O.S.“ erklingt. Der Grund, weshalb die Schotten nach Schweden gingen, ist jedoch kein nostalgischer, sondern ein ganz profaner, sagt Gillespie: „Björn, der die Songs produziert hat, lebt nun mal dort.“ Ganz so als Zufall möchte Mani die Sache aber dann doch nicht Stehen lassen und schiebt hinterher: „ABBA sind eine der besten Pop-Bands aller Zeiten, wenn nicht die beste!“
Trotzdem klingt die neue Primal Scream nicht etwa ABBA-esk- im Titelsong hört man eher Blur heraus, es gibt T.Rex-Anleihen, Electro-Dance-Tracks, Soul und Rock ebenso wie das Fleetwood-Mac-Cover „Over And Over“ (von tusk, 1979), ein Duett mit der englischen Folklegende Linda Thompson. Weitere Gäste sind Josh Homme von Queens OfThe Stone Age und Lovefoxx (CSS). Generell geht die Reise aber wieder in Richtung Pop. „Ich weiß auch nicht, warum, aber die Songs haben sich alle in eine sehr melodische Richtung entwickelt Ich denke, dass es unser zugänglichstes Album bisher ist“, sagt Gillespie. Die Deutung der Texte erfordert auch dieses Mal nicht allzu viel Tiefgründigkeit: Liebe kommt und geht, ist „sexy as sin“ und funktioniert doch nie. Man sollte nicht zurückschauen, im Hier und Jetzt leben und nicht vergessen, am Samstag um die Häuser zu ziehen. Und, ach ja: Finger weg von den bösen Drogen. Eine Ausnahme bildet der letzte Song „Necro Hex Blues“, in dem Gillespie gegen die Apathie der Massen ansingt. „In der westlichen Welt werden die Menschen durch die Medien kontrolliert und ruhig gestellt. Sie sind nicht glücklich, aber denken sich: ,So lange ich das Fußballspiel im Fernsehen sehen kann und genug Bier im Kühlschrank ist, kann ich mich nicht beklagen.’Manchmal ist es so, als wären alle lebendig begraben. Mich inspirieren aber Menschen, die voller Energie sind.“ Sagt’s und gibt Mani, der während seines Monologs die ganze Zeit genickt hat, eine High Five.“You know, Rock’n ‚Roll is good for the soul.“
>»www.primalscream.net