Kommentar

Wer Clubs kaputt macht, macht Musik kaputt


Noch genießt Berlin den Ruf, die musikalisch aktivste Stadt der Welt zu sein. Das könnte bald ein Ende haben. Ein Kommentar.

Die Samwer-Brüder sollten sich lieber wieder damit beschäftigen, Schuhe und Pizza an unsere Haustüren zu liefern. Anstatt Konzerträume in Kreuzberg zu kaufen und klammheimlich die Musikszene zu verdrängen. „Berlin ist möglicherweise die musikalisch aktivste Stadt der Welt”, schrieb Adam Joachim Goldmann kürzlich in der „New York Times“. „Noch“, könnte man ergänzen. Denn wer Clubs kaputt macht, macht schlussendlich auch die Musik kaputt.

2017 kauften die Investoren, die unter anderem hinter dem Online-Modehändler Zalando und dem Essens-Lieferdienst Delivery Hero stecken, das alte Postamt in der Skalitzer Straße in Berlin-Kreuzberg, wie im Januar bekannt wurde. Die Miete für den „Privatclub“, der vor fünf Jahren aus der Kreuzberger Pücklerstraße dorthin zog, soll sich nun verdoppeln. Eine Verlängerung des Vertrages über das Jahr 2022 schlossen die Samwer-Brüder aus. Weil die neuen Nachbarn oberhalb der Clubräume nichts von dem Lärm wussten, den ein solches Venue mit sich bringt, sollen künftig nur noch maximal zwei Konzerte pro Woche stattfinden. Für den Betreiber Norbert Jackschenties wird der „Privatclub“ so nicht mehr finanzierbar sein.

Ähnlich ging es Anfang der Zehnerjahre einigen Clubs in Prenzlauer Berg: Das „Icon“ musste den Betrieb einstellen, weil Anwohner in dem neu errichteten Wohnhaus nebenan gegen den Lärm geklagt hatten. Die gleichen Beschwerden zwangen auch das „Magnet“ und nach fast sechs Jahrzehnten das „Knaak“ zu gehen. Der „Klub der Republik“ musste seine Räumlichkeiten verlassen, weil auf dem Grundstück neue Eigentumswohnungen gebaut werden sollten.

Das Berliner Clubsterben geht weiter

Sollte nun auch der „Privatclub“ schließen müssen, würde Berlin eine weitere Bühne verlieren, die vor allem für junge MusikerInnen wichtig ist. Schon die Historie der Location zeigt, dass Nachwuchs-Bands, die hier ihre ersten ZuhörerInnen hatten, später erfolgreich wurden. Wir sind Helden traten zu Beginn ihrer Karriere im „Privatclub“ auf, als dieser noch unter der Markthalle 9 ansässig war. Auch die Beatsteaks gewannen dort ihre erste Fan-Base. In kleinen Clubs können KünstlerInnen sich ausprobieren. Aus Erfahrung mit Euren Startups wisst Ihr ja, wie wichtig das ist, liebe Samwers. Ihre Kompositionen müssen dabei nicht mainstreamtauglich sein, denn schon ein paar Leute sorgen dafür, dass der Laden voll ist.

Sobald die Eintrittsgelder ansteigen – bei einer Mieterhöhung für den Club-Betreiber unvermeidlich –, ist das aber immer seltener der Fall. Um eine Newcomer-Band zu hören, zahlen die Besucher nicht so viel wie für ein Ticket in der Mercedes-Benz Arena. Die Leute kommen nicht mehr. Es wird weniger Live-Musik – weniger neue, noch unbekannte Musik gehört. Doch ZuhörerInnen brauchen Musik, genauso wie MusikerInnen ein Publikum brauchen. Sonst stirbt die Konzertkultur als solche aus. Ganz einfach.

Darunter leidet schließlich auch das Image Berlins: Bisher lockte die Stadt KünstlerInnen an, weil sie von der lebendigen Szene profitieren und sie mitgestalten wollen und können. Diese existiert so nicht mehr, wenn es keine Chancen gibt, sich musikalisch und professionell zu entwickeln – und das geht nun mal nur auch außerhalb des Proberaums. Wenn es keinen Platz mehr dafür gibt, könnten sich die MusikerInnen schon bald umorientieren und in einer neuen Stadt das Fundament dazu legen, dass man irgendwann sagen wird, es sei die musikalisch aktivste der Welt.