Talking Heads


Im Umfeld von The Notwist entstand ein simples, gutes Konzept, Literatur im Web zu präsentieren: Unter www.zehnseiten.de lesen Autoren was vor.

Neulich gab es eine Autoren-Lesung in Second Life, die offenbar ein voller Erfolg gewesen sein muss. 30 „Avatare“ hatten sich in der „Online-3D-Welt“ eingerunden, und sie waren zur Freude der Veranstalter sogar bis zum Schluss geblieben. „Immer wiedergab es nach den sehr spannenden und auch stimmungsvollen Lesungen virtuell Applaus“, berichten die Organisatoren. Literatur und Internet – das ist ein schwieriges Feld. Die Experimente bisher (z.B. auch: komplizierte Hypertextromane mit Google-Earth-Einbindung) haben meist wenig Lust auf’s Lesen gemacht.

Ganz anders www.zehnseiten.de , eine so schlichte wie brillante Idee: Autoren lesen zehn Seiten ihrer Werke selbst vor. „Dos war eine Schnappsidee, im wahrsten Sinne des Wortes“, sagt The-Notwist-Manager Florian Steinleitner, einer der fünf Gründer der Seite. „Mario ist der Typ, der solche Einfälle hat, und er hat auch den Ehrgeiz, sie dann in die Tat umzusetzen.“ Mario, das ist Mario Thaler – als Produzent von The Notwist, Slut und vielen anderen erfolgreichen Bands ebenfalls eine bedeutende Figur der deutschen Musikzene. „Eigentlich hat,Zehn Seiten’ja nichts mit Musik zu tun“, überlegt Steinleitner. „Auf der anderen Seite arbeiten wir schon sehr lange in einem Umfeld, in dem man schnell sehr genau weiß, was man nicht will – und was wir nicht wollen, das war uns auch bei £ehn Seiten’gleich klar.“

Aus der Gewissheit, was man nicht wollte, entstand recht bald eine klare Vorstellung davon, was „Zehn Seiten“ sein sollte: Ein minimalistisch gestaltetes, professionelles Portal, über das Autoren auf unaufgeregte aber lebendige Weise ihre Werke präsentieren können.

„Wir wollen eine schöne Seite mit qualitativ hochwertigen Aufnahmen haben“, erklärt Steinleitner. „Wir geben uns da, was die Ästhetik angeht, selbst einen sehr erigen Rahmen vor: Das Bild ist schwarz-weiß und sieht immer gleich aus. Es gab schon Anfrageri, ob da mal eine Palme im Hintergrund sein darf- ohne Witz, eine Palme! – Die Antwort ist Nein!“

Der längst legendäre The-Notwist-Idealismus beherrscht auch die wirtschaftliche Philosophie des Projekts. Obwohl das Interesse von Seiten der Verlage bereits enorm ist, will Steinleitner nicht von geschäftlichen Dingen reden: „Esgibt keinen Business-Plan. Wir wollen keine Werbebanner auf der Seite, wir haben alle Berufe. Wir machen das aus Freude an einer guten Sache. Wir wollen auch keine Kooperation mit Amazon, weil wir die kleinen Buchhändler nicht ausgrenzen wollen – die sollen uns gerne auch einbinden oder zu uns verlinken. Die Seite kann von jedem benutzt werden, der nach einem Buch sucht, das ihmgefallen könnte.“

Bei der Auswahl der Autoren, die bisher noch alle von Mario Thaler persönlich in einem Studio in Murnau aufgenommen werden, wird lediglich darauf geachtet, „dass es irgendwie passt“ prinzipiell soll das Portal für alle offen sein. Vorlesequalitäten spielen dabei übrigens keine Rolle. „Man siehtjajetzt schon große Unterschiede in der Qualität des Vortrags – und das soll auch so sein. So menschelt das ganze, es lebt. Dafür bekommt man einen Eindruck von dem Autor selbst, und nicht von einem Schauspieler. Und das ist schließlich der Sinn der Sache.“