Album der Woche

Isolation Berlin

Vergifte dich

Staatsakt/Caroline

Die Könige der Kneipenlyrik können nicht nur Postpunk und No Wave, sondern auch Kunstlied.

Doch, man muss das schreiben, obwohl es ganz schlimm klebrig klingt: Wenn es momentan eine Band schafft, Menschen durch ein mitteljunges Großstadtleben zu begleiten, dann ist das Isolation Berlin. Denn was wir auch anstellen mit unseren Zwanzigern: Tobias Bamborschke und Band sind schon dort. Wollten die Berliner mit „Annabelle“ in der gleichnamigen frühen Single noch rotwangig „ins Kino gehen, Zigaretten und Schnaps mitnehmen“, stand am Schluss ihrer großen Schwermutsstudie UND AUS DEN WOLKEN TROPFT DIE ZEIT vor zwei Jahren der Schwur, das müde Herz zu kurieren, indem man gar nichts mehr fühlt.

Ihre zweiten Platte VERGIFTE DICH führt die Entwicklung fort: „Ich war schon überall, ich hab alles schon erlebt“, nölt Bamborschke in der ersten Single „Kicks“, taumelnd zwischen Apathie und Angriffslust. Hallo DAF, hallo Selbstverschwendung. Körperlicher, zwingender als bislang brechen sich No Wave und Postpunk hier Bahn; in den Nachtmomenten der Platte hingegen klingt die Gitarre sacht und traurig wie Neuschnee auf dreckigem Asphalt.

Sicher, Bamborschke schreibt noch immer schönste Alltagslyrik, die erahnen lässt, wie sich die frühen Element of Crime angehört hätten, wären sie nicht schon immer alte Seelen gewesen. Zu ungekannter Größe aber finden Isolation Berlin, wenn sie das Abstraktionslevel erhöhen, etwa bei „Melchiors Traum“, dem bisher wohl komplexesten Song der Band. All das fügt sich zu einem Album, das versucht, uns auf Distanz zu halten. Und uns Romantiker, Schnösel, Hedonisten genau deshalb umso heftiger packt.

Klingt wie: DAF: Alles ist gut (1981) / The Jesus And Mary Chain: Psychocandy (1985) / Element Of Crime: Damals hinterm Mond (1991)

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