Wer hat bloß den Boss bestellt?


Mit dem Erfolg kamen vielleicht ein paar Fragen nach Springsteen zu viel. Jedenfalls machen The Gaslight Anthem nun alles „anders“.

Eines möchte Alex Rosamilia klar stellen: Die Künstler, die ihn beeinflussten, als er zum ersten Mal eine Gitarre in die Hand nahm, waren Jimi Hendrix, Cream und Led Zeppelin. Ganz klassisch. Und später, als er seine erste Band gründete, kamen My Bloody Valentine, The Smiths und The Cure hinzu. Total indie. Für Bruce Springsteen hingegen habe sich der Gitarrist von The Gaslight Anthem nicht interessiert.

Wer trotzdem auf die offensichtlichen Bezüge in der Musik von The Gaslight Anthem zu der des obersten nordamerikanischen Gitarrenrockers verweist, dem zeigt Alex Rosamilia seine stoffelige Seite: „Es gibt schon ein paar Songs, die ich mag. Unser Sänger Brian hört das manchmal im Tourbus“, sagt er. „Aber ich bin kein Fan, und ich war in keiner Weise in die Entscheidung involviert, ihn bei uns mitspielen zu lassen. Davon erfuhr ich erst, als er plötzlich während des Soundchecks auf die Bühne kam.“ Denn als The Gaslight Anthem vor gut einem Jahr auf dem Glastonbury-Festival und einige Tage später im Hyde-Park spielten, begleitete der, den sie „Boss“ nennen, die Band beim Titelstück ihres aktuellen Albums an der Gitarre und am Mikrofon. Gaslight-Anthem-Sänger Brian Fallon revanchierte sich dann bei den Auftritten Springsteens. Der jungen Band aus New Jersey verschaffte dies einen ordentlichen Popularitätsschub, und belegte sie gleichzeitig mit einem Fluch. Es gibt fast keinen Artikel mehr über sie, in dem nicht der Name Bruce Springsteen steht.

Deshalb erinnert sich Alex Rosamilia auch lieber an andere Momente zurück: Wie die Clubs, in denen sie spielten immer größer und aus Support-Slots, Headliner-Touren wurden. Oder an die erste Japan-Reise. „Tokio war wahnsinnig spannend. Aber noch besser war das, was im Hotel passiert ist: Innerhalb von zwei Tagen sind wir mit Aaron Neville Aufzug gefahren und haben am Nachbartisch von J. Mascis gefrühstückt. Einer der größten Soul-Sänger überhaupt und der Typ von Dinosaur Jr. – mit denen spielten wir auf einem Festival. Nicht schlecht, was?“, sagt er. Aber auch die erste Tour durch die USA war schon ein großes Abenteuer. Weiter im Süden als Pennsylvania war er davor nie gewesen – und das liegt ja gleich neben New Jersey. Vom Mittleren Westen und Städten wie Seattle oder Portland, die er heute liebt, ganz zu schweigen. Erzählt’s und lacht endlich auch einmal.

Als wir mit ihm aber wieder über die Musik reden wollen, über das dritte Album seiner Band, AMERICAN SLANG, kehrt der Stoffel Alex Rosamilia zurück. Nicht weniger als „alles“ hätten sie anders machen wollen. „Aggressiver“ sei es geworden. Mehr hat er dazu nicht zu sagen. Was daran liegen könnte, dass sein Kollege Brian Fallon für das Songwriting zuständig ist. Doch der hatte keine Lust auf ein Telefonat und ließ die geplante Promotionreise nach Deutschland ausfallen. Und bevor wir Alex weiter löchern können, schaltet der nun in seiner Wohnung in Hoboken ein ziemlich lautes Küchengerät ein. In Hoboken wurde übrigens Frank Sinatra geboren. Aber das hilft uns hier jetzt auch nicht weiter.

Wer wissen will, wie das Album klingt, soll es sich doch anhören. Schließlich steht es auch schon seit einigen Wochen im Internet. Alex Rosamilias Problem soll das nicht sein: „Zum einen kann man sowieso nichts dagegen tun. Das passiert doch mit jeder Platte. Es wäre aber auch ziemlich scheinheilig, wenn ich das kritisieren würde. Ich meine, ich lade mir doch selbst die ganze Zeit Sachen runter.“

Albumkritik S. 80

www.gaslightanthem.com