Pop Art
Die Pop-Kolumne von Dirk Peitz
24. Oktober 2010, iTunes-Charts, Platz 15: Take That, „The Flood“
Sah ja gar nicht so schlecht aus. Das Versöhnungs-Duett „Shame“ war doch ganz lustig, sozusagen Robbies und Garys ganz privater Brokeback Mountain, beinahe. Allein die Zeile „And with your poster 30 foot high at the back of Toys’R’Us“: schon ein Lächler. Man konnte sich das bildlich vorstellen, wie Gary vor paar Jahren irgendwo in Cheshire samstagsnachmittags seinen Einkaufswagen übern Parkplatz schiebt, die Kinder im Gepäck, und wie dann Daniel, sein Ältester, da hoch zeigt und sagt: „Hey Dad, der Mann auf dem Riesenposter da, ist das Robbie, von dem die Kinder in der Schule sagen, dass er viel cooler ist als du?“ Es gab schon immer gute Gründe, warum nie einer Gary Barlow sein wollte.
Nun also: die offizielle Reunion-Single „The Flood“. Reden wir nicht drüber, dass vor kurzem erst halb Pakistan unter Wasser gestanden hat, auf so was kann man als Oldboyband bei der Songthemenfindung keine Rücksicht nehmen. Unbedingt reden muss man aber über den Text von „The Flood“. Gleich den Einstieg, den Robbie singt, dem man ja eine Menge nachsagen kann, aber nicht, dass er nicht mitunter großartige Liedtexte geschrieben hätte; die besten zitierten auf exakt die gleiche ironisch-pathetische Weise wie Guy Chambers‘ Melodien die schönsten Pop-Klischees der letzten 50 Jahre. „The Flood“ geht jedenfalls mit den Worten los: „Standing on the edge of forever/ At the start of whatever/ Shouting love at the world/ Back then we were like cavemen/ But we met the moon and the stars/ Then we forgave them/ We will meet you where the lights are/ the defenders of the faith, we are …“ Aha. Ähem. Soso. Pathos: yep. Ironie: null. Wäre man Robbie – und es gab schon immer gute Gründe, warum alle er sein wollten -, man müsste sich eher freiwillig die Zunge abschneiden lassen wollen, als derart bekiffte 17-Jährigen-Eso-Lyrik vorzutragen. Wer schreibt so einen Scheiß? Die fünf Bandmitglieder, so steht es in den Credits. Die Musik dazu ist brutaler Power-Pop, soßige Drum- und-Keyboard-Stakkati, parfümierte Streicher, superabsehbare Breaks. Stuart Price muss sich beim Produzieren heimlich totgelacht haben über diesen seltsamen Versuch, Teenie-Pop für 34-jährige Frauen mit Motivfingernägeln zu machen.
Falls jemand die fünf Herren, der jüngste 36, der älteste 42, demnächst irgendwo sieht, im Stadion vielleicht: Grüße! Und bitte ausrichten: Hätte da die Nummer eines echt guten Musiktherapeuten.