The Wow! Team
Drei Jahre Albumpause, durch die Welt getourt und ganz gemütlich Samples gecheckt. Jetzt ist das The Go! Team mit seinen neuesten tumultösen Pop-Epen zurück.
Die Frage nach Brighton ist für das The Go! Team etwa so schön, wie die Frage nach New York für Adam Green oder die Frage nach Montreal für Arcade Fire. Kann meine Stadt etwas über meine Musik, meine Band sagen? Und ob, meint Go!-Team-Rapperin Ninja, das traditionell vergnügungssüchtige Seebad Brighton sei das Ost-Berlin von England, ein Ort sensationellen Müßiggangs: „Dass jeder ein Künstler ist, dass die Studenten vor Mittag nicht aus dem Bett kommen, gehört dazu. Das ist sehr Go! Team. Dass die Leute Deadlines nicht einhalten. Sehr Go! Team. Dass sie tun und lassen, was sie wollen und sich einen Dreck um die Folgen scheren, ist auch sehr, wie Go! Team ist.“
Wer wissen wollte, warum das Sixpack aus Brighton sich mit dem neuen Album Rolling Blackouts glatte drei Jahre Zeit gelassen hat: Schneller geht’s eben nicht in Brighton. Doch das ist, wie auch Ninja weiß, nur die halbe Wahrheit. Songwriter und Go!-Team-Gründer Ian Parton hat Ninjas Brighton-Kurzkritik mit Gelächter begleitet, er muss erst mal ein ernstes Wörtchen mit ihr reden: „Es gab eine Zeit, in der ich jeden Morgen aufstand und mir Tausende Platten anhörte, um am Ende des Tages vielleicht zwei Sekunden zu finden, die wir als Sample gebrauchen können. Es geht beim Go! Team nicht nur darum, eine Gitarre zur Hand zu nehmen und einen Song zu schreiben, es geht ums Suchen und Finden. Die Art und Weise, wie wir unsere Musik machen, frisst eben Zeit. Es mag eine lächerliche Art sein, Musik zu machen, aber …“
Aber die Mühen haben sich auch auf dem dritten Album wieder gelohnt. Von den 19 Songs, die Parton nach einer intensiven Samplesuch- und Songwriting-Phase im Kasten hatte, haben sich zwölf für Rolling Blackouts qualifiziert – eine Sammlung hochmelodischer, oft tumultöser Pop-Epen, die sich so anhören, als hätte man eine Girl Group der Sechziger in eine Feedback-Zelle der Achtziger gesteckt, in der zufälligerweise schon ein paar Rapperinnen saßen.
In den Songs des Go! Teams kommt vor allen Dingen das zusammen, was auf der Pop-Speisekarte von Ian Parton immer schon ganz oben steht, saisonale Schwankungen nicht ausgeschlossen. „Ich liebe krachige, verzerrte Musik, so lange ich denken kann – aber auch das süße Zeug. Ich wechsele zwischen Shellac und den Jackson Five. Meine Musik hat genauso viel mit Trash-Pop-Kultur wie mit meinem eigenen Leben zu tun.“ Damit meint Parton dann die Soundtracks seiner Jugend, die Fernsehmelodien aus den BBC-Programmen und den Einfluss von Ennio Morricones Widescreen-Pop, besonders gut nachzuhören im hymnischen „The Running Range“. Für den Song zeichnete Parton einen Gospel-Chor in einer Londoner Kirche auf. „Es ging mir um diesen Morricone-Sound, ein bisschen psychedelisch und vom Winde verweht.“
Live kommen die Faktoren Chaos und Party beim Go! Team entscheidend dazu. Oder die Jugend vor Ort, wie Ninja berichtet: „Da gab es diesen Moment beim Pitchfork-Festival in Chicago, in dem plötzlich 20 Kids mit uns auf der Bühne standen – zum Finale von ‚Ladyflash‘. Und die Kids tanzten mir alles nach. Das fasst zusammen, worum es beim Go! Team geht. Um das Element von Jugend, um die Authentizität, die Leidenschaft für die musikalischen Einflüsse, die man hört. Wir waren glücklich, das erleben zu können.“ Noch überraschender war nur China. „Stagediving, Crowdsurfing – es war absolut wild dort. Alle Texte mussten vor dem Auftritt in Bejing offiziell genehmigt werden, um Ausschreitungen auszuschließen. Ich habe einige Lyrics dann leicht verändert“, erzählt Ninja. „Aber es gab immer noch Randale. Eindeutig gute Randale. Rock-Randale.“
Albumkritik S. 100