Pop Art


Die Pop-Kolumne von Dirk Peitz

iTunes Charts, 15. Januar 2011: Thomas D. „Million Voices (7 Seconds)“

Gerade im Irak gewesen, beruflich. Reisen in Krisengebiete, das lernt man nach ein paar Versuchen, befördern die persönliche Weltuntergangsstimmung ungemein und helfen dabei, so wenig wie möglich Hoffnung zu vergeuden darauf, dass alles schon gut werde, irgendwie. Wird es nicht. Auch nicht, wenn man ganz fest dran glaubt. Oder versucht, was zu tun. Nützt fast nie was, da sind die menschgemachten Umstände vor. Der Mensch kann einfach nicht anders, als zwar immerzu gut sein zu wollen und trotzdem immerzu widrige Umstände zu produzieren, die das Gute verhindern. Und wenn es ganz schlecht kommt, glauben alle, etwas Gutes, ja, das Richtige zu tun, obwohl sie damit nur Unheil schaffen. Der amerikanische Soldat, der ein Land und dessen Leute von einer Diktatur befreien wollte und am Ende doch nur mithilft, das Land und dessen Leute zusammenzuschießen; der ebenso zugereiste Terrorist, der im Namen seiner Religionsauslegung ein fremdes Land gegen vermeintlich ungläubige Eindringlinge verteidigen wollte und am Ende sich und andere Leute, die doch bloß überleben wollen, in die Luft sprengt; der irakische Zivilist, der Hollywoodfilme liebte, bis amerikanische Soldaten kamen und sich wie in einem Hollywoodfilm aufführten – und der am Ende kaum noch was anderes hat als seinen Hass.

Trotzdem hofft der Mensch immer weiter, und wenn er von Beruf Musiker ist, dann weiß er aus eigener Erfahrung um das Gemeinschaftsstiftende, Hoffnungsspendende der Musik. Also singt er ein Lied. Und bestenfalls singen viele andere mit. Sogar, wenn der Musiker sein Lied im Auftrag eines Telekommunikationsunternehmens singt, ist der Effekt der gleiche; der werbliche Zweck entheiligt nicht die Mittel, er ist bloß ein störendes Nebengeräusch. Thomas D. hat das alte antirassistische, verzweifelt hoffnungsfrohe Lied „7 Seconds“ von Youssou N’Dour und Neneh Cherry mit einem deutschen Text versehen und es noch mal aufgenommen, zusammen mit ganz vielen Leuten, die vor Webcams saßen und nicht wirklich singen können. Über den Text und seine Weltrettung-durch-Selbstrettungs-Pseudospiritualität könnte man jetzt lange streiten, doch selbst der kriegt das schöne Lied nicht kaputt und nicht die Tatsache, dass ein Lied immer noch schöner wird, wenn es viele mitsingen.

Bloß nützen: Nützen wird auch dieses Lied nichts.