Ab. Schal. Ten.


Der Liederklaus, Knut und die Apokalypse: Es sind herz- und hirnzerreißende Zeiten, findet wohl nicht nur Josef Winkler.

Haben Sie’s auch gelesen? „Carla Bruni-Sarkozy klagt wegen Liederklaus.“ Man fragt sich: Wer ist der Liederklaus? Und wie und wodurch hat er Carla Bruni-Sarkozy solchen Anlass zur Klage gegeben, dass gleich die Zeitungen darüber berichten? Ist gar am Ende ihr Gatte gemeint, der Nikolaus Sarkozy selbst? Aber der geriert sich bei Drucklegung dieses Heftes ja eher als Bombenklaus in Libyen. Wer also ist der Liederklaus? Es wird noch rätselhafter. Eine Gugelbildersuche „Liederklaus“ ergibt: Konterfeis von Bushido! Ist Bushido der Liederklaus? Aber warum sollten sich dem Busen von Carla Bruni-Sarkozy Klagen wegen Bushido entringen? Würde man auf Nachfrage in Sachen Bushido von Carla Bruni-Sarkozy nicht eher eine Antwort erwarten wie: „Bitte, wer? Danke, kann nicht klagen“? Wer ist der Liederklaus? Klaus Hoffmann gar? Oder der eine da von Klaus & Klaus? Da fällt mir eine Bildunterschrift ein, die ich seit Jahren in der Schublade habe für den tatsächlich von Tag zu Tag unwahrscheinlicher werdenden Fall, dass es im Musikexpress irgendwann noch mal ein Foto von Klaus & Klaus zu betexten gäbe. Sie geht so: Ein Foto des Stimmungsduos Klaus & Klaus. Bildtext: „Klaus (l.) und Klaus von Klaus & Klaus“. Gut, oder? Wie gesagt: Ich werde sie eh nicht mehr brauchen können und mache sie deshalb hiermit open-source-mäßig zugänglich zur weiteren Verwendung durch Publizisten auf der ganzen Welt. Macht was draus.

Apropos Bombenklaus. Man riet mir – und man hat ja recht – nach der letztmonatigen Tirade über so einen windigen Typen, der damals zur Zeit der Abfassung der Kolumne die Schlagzeilen derart beherrschte, dass man denken konnte, der geht jetzt überhaupt nicht mehr weg vom Fenster, und dann war er plötzlich endlich doch weg vom Fenster und die Tirade bei Erscheinen des Heftes irgendwie veraltet (wenngleich immer noch genauso von Herzen kommend) – man riet mir darob, in so einer monatlichen Kolumne vorsichtig zu sein mit tagesaktuellen Themen. Und das ist ja auch vollkommen richtig. Es sind nur in der Zwischenzeit Dinge passiert, die sind so abgrundtief erschreckend und existenziell und global (im Sinne von: das ganze gwamperte Menschengeschlecht) angsteinflößend, dass man sich gar nicht mehr vorstellen kann, wie bedeutend einem gerade eben noch die Diskussion schien über einen traurigen Hanswurschten mit lächerlicher Frisur, der beim Bescheißen erwischt worden ist. Haben wir uns darüber tatsächlich gerade noch aufgeregt? Was für eine Verschwendung von Luft, Kraft und Lebenszeit.

Jetzt also Fukushima. Wie tröstend wäre es, zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Textes hoffen zu dürfen, bei seinem Erscheinen könnte sich auch diese „tagesaktuelle“ Angelegenheit dann wiederum irgendwie erledigt oder wenigstens relativiert haben. Stattdessen muss man Dinge befürchten, die man sich aus psychischem Selbstschutz noch gar nicht so richtig vorzustellen gestattet. Und klammere sich darum an Sachen wie den Liederklaus, um sich ein bisschen abzulenken von dem hirnzerreißend unerträglichen Zynismus der Macht- und Geld-Mischpoke, die der Welt diese Suppe eingebrockt hat und allzu gern so weitermachen würde.

Und als ob’s ein Symbol sein sollte inmitten alldem, stirbt auch noch Knut. Der Süße, der Knuffige, einfach so, einen gruseligen Tod mit Hirnverwachsung und shit. Als wollte uns da jemand oder etwas noch mit dem allerletzten Nachdruck klarmachen: Es ist jetzt endgültig Schluss mit Niedlichkeit und Eskapismus-Fantasien. Keine Ausflüchte mehr. Ihr habt die Kacke brutalstmöglich am Dampfen, kümmert euch endlich drum.

Deshalb wäre mein dringender Tipp: Demonstrieren gehen. Wählen gehen. Stromanbieter wechseln. Einen warmen Gedanken und vielleicht einen kleinen Geldbetrag nach Japan schicken.

Ach, und: Abschalten.