Boom Tschak


Die Electro-Kolumne von Albert Koch

Die Avantgarde des Mainstream

James Blake bringt sich mit einer 12-Inch zurück ins Spiel.

Wir dürfen James Blake nicht vergessen. Nicht nur, weil er mit einer Anti-Mainstream-Musik ein relativ breites Publikum erreicht hat – wobei zu klären wäre, ob Platz 27 in den Albumcharts in Verkaufszahlen das Etikett Mainstream überhaupt verdient.

Blakes Longplay-Debüt mit den auf Dubstep basierenden Sound(de)konstruktionen sorgte Anfang des Jahres für die Polarisierung der Meinungen derer, die gewillt waren, sich damit zu beschäftigen. Die Beißreflexe gegenüber James Blake waren typisch für die Reaktion auf einen Untergrund-Act, der mit einem Album den Mainstream touchiert. „Alte“ Hörer vermissten den soundästhetischen Wagemut der frühen EPs und 12-Inches (der Gesang!), neue Hörer, die ohne die Feuilletons der Mainstreampresse nie auf Blake gestoßen wären, konnten mit diesem artifiziellen Scheiß (der Gesang!) überhaupt nichts anfangen. Und die anderen, die im Februar das Album in die Charts gekauft hatten, freuten sich, wenn auf Antenne (hier Bundesland der Wahl einsetzen) die Single „Limit To Your Love“ (der Gesang!) gelaufen ist.

In diesen Tagen sind zwei Singles von James Blake erschienen, die in ihrem lockeren Nebeneinander viel über das künstlerische Selbstverständnis des 21-Jährigen aussagen. Der „Major-Release“ featured die beiden Albumtracks „Lindisfarne“ (im Edit) und „Unluck“ auf einer 10-Inch-Single. Fast gleichzeitig veröffentlichte Blake auf dem Hemlock-Label die Doppel-A-Seiten-12-Inch mit den Tracks „Order“ und „Pan“. Hemlock ist das Label, auf dem 2009 Blakes erste Single „Air & Lack Thereof“ erschienen war. Die „Rückkehr“ des Londoners zu Hemlock als ein back to the roots zu verstehen, greift zu kurz. Zwar verzichten beide Tracks auf das Element, das die alten Blake-Fans und die neuen Hater in ihrer Ablehnung eint (der Gesang!), doch weisen sie in ihrem puren Minimalismus weit über Dubstep und alles, was Blake vorher gemacht hat, hinaus. Die kargen Subbässe wirken wie eine Karikatur von Dubstep, der furztrockene Beat steht außerhalb des üblichen Bezugsrahmens. James Blake ist Avantgarde, zu sehr Avantgarde, um in Vergessenheit zu geraten.

James Blake

Lindisfarne (Edit) / Unluck

Atlas/Polydor/Universal

Order / Pan

Hemlock