Der Mann, der Disco sammelt: Steve Terry im Interview


Steve Terry ist der wohl bedeutendste Sammler der Welt, was Zeugnisse zur Club-Kultur des 20. Jahrhunderts angeht. Wir haben mit ihm gesprochen.

Einige der interessantesten Exponate in der kürzlich angelaufenen Ausstellung „Night Fever – Designing Club Culture 1960-Today“ im Vitra Design Museum stammen von einem Briten: Steve Terry ist der wohl bedeutendste Sammler der Welt, was Zeugnisse zur Club-Kultur des 20. Jahrhunderts angeht. Doch das, was in dem Museum in Weil am Rhein ausgestellt wird, ist nur ein kleiner Ausschnitt seiner Sammlung: Mehr als 5000 Exponate befinden sich im „Wild Life Archive“, vor allem Flyer und Poster, aber auch Bücher, Merchandise, T-Shirts.

 

Musikexpress: Ihr WILD LIFE ARCHIVE nahm vor etwa 20 Jahren seinen Anfang. Was war die Ursprungsidee der Sammlung?
Steve Terry: Wenn man in den 90er-Jahren morgens von einem Rave heimkam, standen vor der Tür des Clubs immer Promoter und drückten einem Flyer in die Hand. Die Partys, die dort beworben wurden, besuchte man dann meistens am nächsten Wochenende. Ich behielt zunächst nur die Handzettel von den Veranstaltungen, die ich besucht hatte. Irgendwann hob ich aber auch die anderen auf …

Wann wurde daraus eine richtige Leidenschaft?
Vielleicht vor 15 Jahren. Da stellte ich fest, dass ich mit all Flyern, die ich selbst gesammelt hatte, eine ganz gute Basis für ein größeres Archiv besitze.

Sind sie anschließend viel gereist? Haben sie Orte wie Detroit, Chicago oder Ibiza besucht, um vor Ort an seltene Stücke zu kommen?
Ich bin um die ganze Welt gereist, um diese Sammlung aufzubauen. Da ist einiges an Flugmeilen zusammengekommen. Federal Express und Delta haben mit mir eine Menge Geld verdient, würde ich sagen.

 

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Wie entscheiden Sie, ob ein Flyer oder ein Plakat interessant für Sie ist? Spielen da eher ästhetische oder historische Gründe eine Rolle?
Gute Frage. Ich würde sagen: alle beide. Wenn man Glück hat, treffen beide Punkte auf ein Objekt zu, ich habe sehr viele historische Stücke, die gleichzeitig wunderschön sind.

Welches Stück Ihrer Sammlung ist am seltensten?
Ich habe sehr lange Zeit nach Stücken vom legendären „Music Institute“ in Detroit gesucht, ich war sehr froh, als ich schließlich fündig wurde.

Die Ausstellung im Vitra Design Museum, in deren Rahmen Ihre Flyer gezeigt werden, geht bis in die 60er-Jahre zurück. Welche Zeitspanne repräsentiert das „Wild Life Archive“?
Ich habe die Sammlung in jenen Grenzen gehalten, die die Geschichte von Dance Music markieren. Sie fängt also bei den frühen Siebziger-Jahre-Partys in New York an, beim Sanctuary oder The Loft. Sie geht dann über Chicago House, Ibiza und Acid House bis in die Gegenwart. Es ist eine Timeline, die anhand von über 5000 Exponaten dargestellt wird.

Ihre eigene Ausgeh-Geschichte begann in der Acid-House-Ära in England. Wie wichtig war damals die Gestaltung eines Flyers?
Viele Promoter legten durchaus auf eine starke optische Identität Wert, vor allem, wenn es sich um Veranstaltungsreihen oder regelmäßig stattfindende Clubabende handelte. Die Logos fanden sich dann nicht nur auf Flyern, sondern auch auf Mitgliedskarten, T-Shirts, und anderem Merchandise. Wenn man sie heute betrachtet, mögen viele Designs naiv aussehen, im zeitlichen Kontext gesehen, waren sie wunderschön.

Welcher Club hatte die stärkste visuelle Identität?
Das war sicher die Hacienda. Die Art, wie sie ihre Ästhetik durch alle Kommunikation zog, war einzigartig. Aber die Macher waren auch die Eigentümer des Ladens. Kleinere Clubs mussten ihre Ästhetik auf die Flyer beschränken und dann Backdrops, Visuals und Nebelmaschinen verwenden, um innerhalb des Clubs eine eigene Optik und eine eigene Atmosphäre zu schaffen.

Vielen Sammlern geht es darum, ein gewisses Gebiet komplett abzudecken. Bei Platten ein Label oder die Diskographie einer Band, bei Büchern einen Verlag. Wäre das in Ihrem Bereich überhaupt möglich?
Ich habe innerhalb meiner Sammlung durchaus Untergebiete, die sich mit einzelnen Läden oder Gestaltern befassen. Insofern befolge ich diese Regel auch. Aber natürlich ist es bei so einem weiten Sammelgebiet schwierig, mit so einem Anspruch zu arbeiten.

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Heute werden Veranstaltungen in erster Linie über soziale Netzwerke beworben. Welche Folgen hat das für Ihr Sammelgebiet?
Das stimmt natürlich. Es gibt aber eine kleine Print-Renaissance. Neue Party-Veranstalter versuchen es wieder mit etwas traditionelleren Formen der Werbung, vor allem mit Merchandise. Das passt ganz gut zum Vinyl-Boom der letzten Jahre.

Was ist Ihr Lieblingsstück in der Sammlung?
Schwer zu sagen – es gibt wirklich viele Stücke, die ich sehr liebe! Besonders toll ist sicher das original „Paradise Garage“-T-Shirt, das mir ein guter Freund schenkte.

 

Homepage Steve Terry: Wild Life Archive

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Steve Terry / Wild Life Archive
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