Pop Art
Die pop-Kolumne von Dirk Peitz
Auf ein gutes Glas Wasser mit Snow Patrol
iTunes-Charts, 20. November 2011, Platz 10: Snow Patrol, „Called Out In The Dark“
Vor drei Jahren mal mit Snow Patrol herumgeflogen, zwei Tage, vier Städte, vier Konzerte, neues Album, Privatjet war angekündigt, aber es kam dann eine Propellermaschine. Hätte einen auch gewundert, Privatjet und diese Band. Hinterher gefunden: Die Leute von dieser Band sind zu nett. Zumindest der Sänger. Bei einer Rockgruppe gilt ja: je normaler der Frontmann, desto magenschonender die Lieder. Wenn man als Zuhörer denkt, och, mit denen da oben auf der Bühne könnte man auch ein Bier trinken gehen, ist schon alles vorbei. Gary Lightbody bestellte dann eher: Wasser.
Jetzt, drei Jahre später, wieder neues Album von Snow Patrol, das Aufregendste vorher war die Interviewaussage irgendwo von Lightbody, er habe eine Schreibblockade gehabt. So was wie Schreibblockaden, muss man wissen, gibt es nämlich eigentlich gar nicht, unter uns Leuten, die beruflich was mit Buchstaben machen, ob nun gedruckt oder gesungen; zu spät abgeben, das gibt es, das ist normal, aber gar nichts hinschreiben, das passiert eher nie, denn so schwer ist das nu wirklich nicht, was hinzuschreiben, nur das dann in die richtige Form zu bringen, rechtzeitig: Problem.
Bei Lightbody, den man unbedingt mögen muss, als Menschen, versteht man möglicherweise nicht gleich, worin das Geheimnis der Form besteht, weil sich nicht so leicht sagen lässt, was das Besondere ist an seinen Texten, was sie bedeuten, nur dass sie jeder mitsingen kann, weil man sie aus wirklich vielen anderen Liedern schon kennt, nur anders, halt sinnvoller zusammengesetzt: „We are listening / We’re not blind / This is your life / This is your time.“ Warum wechselt Lightbody hier zwischen zwei Strophen von der ersten Person Plural in die zweite Person Singular? Wie soll das Hören mit dem Nichtblindsein zusammenhängen? Und überhaupt, muss man denn ewig von Rocksängern daran erinnert werden, dass man ein Leben hat, und zwar eines ganz für sich allein, und dass die Zeit gerade immer, immer die eigene ist? Nie singt einer mal nur über, zum Beispiel: Wetter.
Diesmal keine Einladung zum Privatpropellern gekriegt, da hätte man so Fragen klären können, beim Wasser, aber vielleicht fahren Snow Patrol jetzt auch wieder mehr Bus, weil man als Vielplattenverkäufer ja immer noch dringender: auf dem Boden bleiben will.