„Mein Bruder wusste nicht, wer Lana Del Rey ist“
Da hat einer Ahnung: Gerade die älteren Nummern in unserer Playlist erkennt FRITZ KALKBRENNER innerhalb von zwei Sekunden. Und die neueren? Nimmt er musikwissenschaftlich, aber nie allzu ernsthaft auseinander
The Impressions – „People Get Ready“
„People Get Ready“, klaro. Aber von welchem Interpreten? Ich tippe auf die Impressions.
Richtig!
Curtis Mayfield hat ein paar Jahre später dann noch mal eine Soloversion davon aufgenommen. Ich fand das als Song schon immer toll und dachte oft darüber nach, mal einen Teil daraus zu sampeln. Aber das grenzt an Majestätsbeleidigung, insofern sollte man das lieber lassen.
Donna Summer – „I Feel Love“
„I Feel Love“. Donna Summer. Eine Giorgio-Moroder-Produktion. In Europa wurde das in den Italo-Discos aufgelegt, dort eher unreflektiert. Die Leute, die mit Schlaghosen an den Wochenenden tanzen gingen, fanden das halt toll. Aber diese Sechzehntel-Synthie-Einsätze wurden eben später von anderen als Ansatz für House und Detroit Techno genommen.
N.W.A. – „Straight Outta Compton“
N.W.A.! Eigentlich interessierte mich beim HipHop immer eher die New Yorker Ecke, mit der Westcoast hatte ich meine Probleme. LL Cool J, Erik B. & Rakim, DJ Polo. Solche Leute. Aber N.W.A. waren natürlich eine Ausnahme. Das ist einfach auf die Schnauze, herrlich. Aber so real, solche Gangster, wie alle im Nachhinein denken, waren N.W.A. keineswegs. Dr. Dre hatte vorher eine Elektro-Band, mit der er teilweise im pinken Latex-Dress auftrat. So ein bisschen wie Cameo.
Pantha Du Prince – „Stick To My Side (Efdemin Version)“
Das gefällt mir. Gar nicht so weit weg von dem, was ich mache. Aber ich erkenn’s nicht.
Es ist ein Remix von Efdemin. Das Original-Album hat im vorigen Jahr den Echo bekommen.
Dann ist es Pantha Du Prince. Dazu gibt es eine lustige Geschichte. Ich war ja auch in der gleichen Kategorie (Kritikerpreis, die Red.) nominiert, und Till Brönner hielt die Laudatio. Er hielt sie so indifferent, dass ich mir währenddessen schon den Kragen richtete und anfing, mich zu freuen, weil seine Worte auch auf mich gepasst hätten. Ich bin aber gar nicht traurig, dass ich dann doch leer ausging. Ich freu‘ mich für Pantha Du Prince.
Bon Iver – „Calgary“
Bon Iver! Erkennt man sofort.
Warum ist der in der elektronischen Szene so beliebt? Eigentlich macht er ja was ganz anderes.
Ich fange mal bei mir an und schließe dann auf den Rest, ja? Ich glaube, das hat damit zu tun, dass man durch das viele Musizieren und Produzieren Unmengen an Musik im Kopf hat. Das ist natürlich auch ein Ballast. Clubmusik ist voll mit Informationen, die erschlägt einen. Bon Iver ist Entspannung. Nach acht Stunden im Studio kann ich mir nicht Minimal anhören.
Jamie Woon – „Night Air“
Klingt gut. E-Drums mit Hall. Das mag ich immer gerne.
Kennst Du das echt nicht? Jamie Woon. Das war eines der Hype-Themen des vergangenen Jahres.
Jamie Woon? Noch nie gehört. Muss ich verschlafen haben, was vielleicht daran lag, dass ich im vorigen Jahr wenig aktuelle Musik hörte. Gefällt mir auf Anhieb jetzt besser als James Blake, weil ein roter Faden drinnen ist, der die Sache aufrechterhält. Muss ich mir merken!
Lana Del Rey – „National Anthem“
Ich hab‘ keine Ahnung.
Lana Del Rey!
Das sagt mir was. Finde ich ganz gut, also bis auf den Kinderchor. So wirklich verfolgt habe ich Lana Del Rey bisher nicht. Aber ich kenne natürlich diesen einen Song, der überall lief und hörte von dieser Geschichte, dass sie gar kein Newcomer, sondern ein schlau entworfenes Produkt ist, so informiert bin ich dann doch noch. Mein Bruder wüsste jetzt wahrscheinlich nicht, wer das ist, der interessiert sich für so neuen Pop überhaupt nicht. Ich sag‘ mal: Die hat zwei gute Jahre vor sich.
Deichkind – „Illegale Fans“
Hmm, flotter, billig produzierter, Synthie-produzierter HipHop. Sind das K.I.Z.?
Nein!
Ach ja, klar. Es sind die Atzen!
Nein, Deichkind.
Ah, jetzt. Die haben Pionierarbeit in Sachen Elektro-Rap geleistet und werden ihre Anhängerschaft haben, deshalb gibt es da gar keinen Grund, zu stänkern. Ich habe mich damals etwas vor den Kopf gestoßen gefühlt, weil ich deren alte Sachen sehr gerne mochte. „Kabeljauinferno“ und so, das ist auch super produziert. So richtig warm werde ich mit diesem Track nicht. Deichkind sind das also. Unglaublich.
Fritz Kalkbrenner wurde 1981 in Berlin geboren. 2003 war er erstmals auf einer Platte des Techno-Produzenten Sascha Funke zu hören, es folgten Kollaborationen mit Acts wie Alexander Kowalski und Monika Kruse. Der Durchbruch gelang Kalkbrenner 2008, als er gemeinsam mit seinem Bruder Paul den Soundtrack zum Filmerfolg „Berlin Calling“ produzierte. Sein erstes Album Here Today, Gone Tomorrow erschien 2010. Im Frühjahr soll die Mix-Compilation Suol Mates in die Läden kommen.