Gründer Artur Rojek erklärt uns, warum das OFF Festival so wichtig für Polen ist
Das Festival findet in diesem Jahr vom 3. bis 5. August im polnischen Katowice statt.
Das OFF Festival im polnischen Katowice ist für Festivalgänger aus ganz Europa zu einer Oase geworden, denn es bemüht sich seit seinem Debüt 2006 vor allen Dingen den facettenreichen Musikgeschmack seiner Gründer widerzuspiegeln – und das kann durchaus bedeuten, dass auf einen Psychedelia-Trip eine Black-Metal-Messe folgt und der Tag von einer abwegigen HipHop-Show abgeschlossen wird.
Auch dieses Jahr schreckt das OFF nicht vor einem vielfältigen Line-Up zurück, das die verschiedensten Genres und Sounds zusammenbringt. Woher es die Kraft nimmt, seit seiner Gründung gegen den Festivalstrom zu schwimmen? Das haben wir uns von seinem Gründer Artur Rojek erklären lassen.
Musikexpress.de: Artur, Du wurdest in der kommunistischen Ära Polens geboren, Du warst 18, als Lech Wałęsa 1990 zum Präsident Polens gewählt wurde. Wie sah die polnische Musikszene vor dem Fall des Eisernen Vorhangs aus und was änderte sich in den folgenden Jahren?
Artur Rojek: Wenn Du mich fragst, waren wir ein sehr verschlossenes Land. Als 18-jähriger Musikinteressierter bot sich mir nie die Gelegenheit meine Lieblingskünstler live zu sehen, weil sie nie durch Polen tourten. Ich konnte nicht einmal Platten kaufen, weil Polen keine Vertriebsrechte hatte. Meine einzige Informationsquelle war die MTV-Show „120 Minutes“: Einer meiner Freunde hatte eine Satellitenschüssel und schnitt sie jeden Sonntag mit. Montags trafen wir und schauten sie uns alle zusammen an und ich notierte mir alles, was mich interessierte. Dann versuchte ich irgendwie an diese Songs zu kommen. Manchmal brachten die Familien von Freunden aus Deutschland ein Album mit, ein anderes Mal sendete mir meine eigene Familie, die im Westen lebte, etwas zu. Manchmal ging ich auch auf einen Schwarzmarkt und versuchte mein Glück.
Und dann kam die Wende.
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs regierten vor allem Metal, Blues und Punk Polens Musikszene. Jeder, der Musik der Sorte The Smiths oder The Jesus And Mary Chain machte wurde als Freak angesehen. Erst Mitte der 90er begannen sich die Dinge zu ändern. 1993 startete ich meine eigene Band, Myslovitz. Ein Jahr später veröffentlichten wir unser erstes Album. Unsere Musik war inspiriert von Bands wie Ride, The Boo Radleys, The House Of Love und den frühen Suede. Wir wurden dennoch als „die polnischen Oasis“ abgestempelt, weil wir ein Quartett waren und Oasis‘ Debütalbum zu dieser Zeit durch die Decke ging.
Du hast das OFF Festival 2006 gegründet. Aus welchem Anlass?
Ich hatte nie ein Festival als Besucher mitgemacht. Obwohl ich ein riesiger Musikfan und selbst als Musiker tätig war, hatte ich relativ wenige Konzerte gesehen. Ich hatte immer nur die Perspektive als Musiker – und selbst die zwei, drei polnischen Festivals, die es zu dieser Zeit gab, konzentrierten sich auf polnische Musik und waren stinklangweilig. Erst als wir mit Myslovitz auch international Erfolge feierten und Konzerte in anderen Ländern spielten, etwa als Vorband der Stooges, lernte ich kennen, was ein internationales Festival bedeutet.
Wie viele Festivals hast Du besucht, bevor Du mit der Planung für das erste OFF 2006 begonnen hast? Gab es damals ein osteuropäisches Festival, das Dich überzeugt hat?
Zwischen 2001 und 2004 spielte ich mit Myslovitz beim T In The Park in Schottland, dem Bizarre in Deutschland, dem Paleo, Gurten und Montreaux Jazz Festival in der Schweiz, dem Pukkelpop in Belgien und vielen anderen. Von osteuropäischen Festivals wurde ich nicht inspiriert. Ich war eher davon beeinflusst, dass Perry Farrell sein eigenes Festival, das Lollapalooza, auf die Beine gestellt bekommen hat. Ich dachte: Wenn er das kann, kann ich das auch! (lacht)
Das Clash Magazine schrieb einst, das OFF sei „für die, die standardisierte, hierarchische Line-Ups, schlechtes Essen und Kommerz satt haben“. Was macht Ihr denn bloß besser als andere Festivals?
Wir sind vollkommen unabhängig und machen das Festival für Menschen wie uns selbst – Menschen, die Qualität sowohl im Alltag als auch der Kunst wertschätzen.
Wenn du ein paar Tage bei einem Festival verbringst, möchtest du auch, dass sich um dich gekümmert wird. Da ist es wichtig, dass die Location und das Essen taugen. Natürlich ist die Musik weiterhin der wichtigste Punkt bei den meisten Festivals, aber selbst wenn du die besten Bands der Welt hast, kannst du keinen Respekt von deinem Publikum erwarten, wenn du ihnen nur Drecksessen und riesige Haufen Abfall bietest.
Werden die Location und Essen denn immer wichtiger?
Wir sind kein großes Event. Das OFF agiert als „Boutique Festival“. Zwischen denen und uns ist es der gleiche Unterschied wie zwischen Coca-Cola und Fritz-Kola. Wir operieren auf einer ganz anderen Ebene.
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