Kritik und Galerie

„The House That Jack Built“-Kritik: Tote Kinder, wie witzig!


Lars von Trier bricht mal wieder ein Tabu. Und vergisst dabei, ringsherum einen interessanten Film zu drehen.

Lars von Trier hat immer wieder angedeutet, dass „The House That Jack Built“ sein letzter Film sein könnte, weshalb es auch kaum verwundert, dass er zwar vordergründig ein schwarzhumoriges Drama über einen Serienmörder, aber im Prinzip eine Geschichte über sich selbst gedreht hat. Jetzt sind von Trier und die Wahrnehmung und Interpretation seines Lebenswerks zwar selbstverständlich guter Stoff für einen Film, in diesem Fall wirken die Selbstreferenzen von Triers aber oftmals pubertär oder zickig.

Mehr als zwei Stunden lang sieht man hier Matt Dillon beim Morden zu. Er spielt Jack, der laut eigenen Aussagen mehr als 60 Menschen umgebracht hat, sich Talent als Architekt einredet und im Off einer mysteriösen Figur namens Verge fünf Geschichten erzählt, die auch die Kapitel des Films bilden. Jack erklärt Verge, wie er eine ziemlich nervige Anhalterin ganz spontan umgebracht hat, wie er seine Affäre verbal erniedrigt hat und sich irgendwann eine Brieftasche aus ihrer Brust genäht hat. Und wie missverstanden Jack sich doch vom Rest der Welt fühlt. Denn immerhin sind seine Schreckenstaten doch große Kunst, oder etwa nicht?

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„The House That Jack Built“ ist stellenweise ein guter Film, in einigen wenigen Momenten ist er sogar ziemlich großartig. Von Trier schafft es tatsächlich, aus Matt Dillon einen echten Schauspieler zu machen und mischt über weite Strecken Humor und Gewalt, wie es wohl nur wenige Autoren auf der Welt können. Wenn Jack nach einem Mord nicht den Tatort verlassen kann, weil sein Putzzwang ihn immer wieder ins Haus seines Opfers zurückzieht, dann ist das schon ziemlich witzig. Ebenso wie die verkrampften Versuche, seine „Beute“ überhaupt in Fallen zu locken. Dillon und von Trier erschaffen einen Psychopathen, den man so noch nie gesehen hat. Einen menschenverachtenden Schlächter, der an der Grenze zum Slapstick agiert.

So gut die zentrale Figur des Films aber auch ist: Die Geschichte um sie herum ist erschreckend uninteressant. In den fünf Episoden, mit denen Jack seine Taten erklärt, gibt es keine weitere Figur, um deren Schicksal man bangt. Uma Thurmans nervige Anhalterin wird sterben, das weiß man, sobald man sie sieht. Ein paar Lacher später liegt sie dann am Straßenrand, Blut fließt, Achseln werden gezuckt. Man könnten Lars von Trier zuschreiben, dass er die Gleichgültigkeit Jacks auf das Publikum übertragen möchte. Oder einfach feststellen, dass die 155 Minuten schlichtweg nicht packend sind.

Groteskes Popcornkino

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Von Trier scheint sich dessen bewusst zu sein, warum sonst wirft er plötzlich Collagen über den Bau von Kirchen oder Videos über das Verhalten von Raubtieren zwischen die Morde. Oder schneidet Szenen aus seinen vergangenen Filmen hinzu, sobald Jack über missverstandene Köpfe der Geschichte schwadroniert. In diesem Moment ist „The House That Jack Built“  nicht meta, sondern entlarvend: Von Trier erzählt via Jack von seinem Wunsch nach Anerkennung. Von seiner Angst missverstanden zu sein. Jack soll den Zuschauern nichts über die Gesellschaft oder universelle Themen beibringen, sondern dient nur als wandelnde Fußnote unter von Triers Gesamtwerk.

Über die Filme des Dänen wurde in der Vergangenheit viel geredet. „Antichrist“ und „Idioten“, „Melancholia“ und „Nymphomaniac“ bieten auch Jahre nach ihren Premieren Stoff für Debatten. Die Serienmörder-Comedy verblasst schon, sobald der Abspann läuft. Weil von Trier auf eine groteske Art Popcornkino gedreht hat, in der er sich von Szene zu Szene angelt. Und mittendrin so verzweifelt nach der Provokation sucht, dass Jack mit dem Gewehr Kleinkinder erschießt. Von Trier hält mit der Kamera voll drauf und versucht einen Witz mit den Kinderleichen zu inszenieren. Tabubruch war nie langweiliger.

„The House That Jack Built“ startet am 29. November in den deutschen Kinos.