Ariana Grande
Thank U, Next
Republic Records (08.02.2019)
Die R’n’B-Königin ohne Reich verarbeitet den Verlust ihres Exfreundes Mac Miller mit einem souveränen, teils düsteren Album.
Wenn die sakrosankte Beyoncé die Kaiserin des Pop-Olymp ist, Janelle Monáe Gebieterin über den queeren R’n’B und Cardi B den Rap-Thron beansprucht, dann ist Ariana Grande bislang: eine Königin ohne Reich. Eine Topseller- und -performerin, die mit ihrem neuen Album THANK U, NEXT gerade mal sechs Monate nach Veröffentlichung ihrer vorherigen Platte alle (Streaming-)Rekorde bricht, aber doch nicht genau zu wissen scheint, welche Rolle sie in der kompliziert gewordenen Welt der Pop-Schwergewichte einnimmt.
Seit Jahren sendet Grande, US-Amerikanerin mit italienischen Vorfahren, dem Publikum widersprüchliche Signale, man könnte sagen: Ariane Grande scheint festzustecken in einem Image-Limbus. Mit ihrem Faible für Haarreifen mit Katzenöhrchen und einem Stil, der ihr den fiesen Vergleich mit einem „menschlichen Cupcake” einbrachte, erscheint Grande ein wenig zu glossy und gefällig, um sich problemlos zur feministischen Guerrillera stilisieren zu lassen. Ihre Vergangenheit als Kinderfernsehstar und All-American-Sweetheart wiederum hat sie spätestens mit ihrem Album SWEETENER abgestreift.
Ariana Grande hat mehr durchgemacht, als viele Menschen aushalten würden
Vor allem den von Pharrell produzierten Songs, in ihrer Eingängigkeit doch herrlich eigensinnig, hörte man Grandes Hunger auf Selbstbestimmtheit an – und ihren Wunsch, als Kämpferin ernst genommen zu werden. Dass man das bislang nicht tut, ist schon eine Frechheit; schließlich hat sie in den vergangenen Jahren mehr durchgemacht, als viele Menschen aushalten würden: 2017 überlebte sie einen Terroranschlag auf eines ihrer Konzerte in Manchester. Im Mai 2018 trennte sie sich nach knapp zwei Jahren Beziehung von ihrem Partner, dem Rapper Mac Miller, der sich vier Monate später das Leben nahm. Kurz darauf zerbrach die Beziehung zu ihrem neuen Partner Pete Davidson. Diese, wie sie selbst sagt, schlimme Zeit in ihrem Leben will nun auf THANK U, NEXT verarbeitet werden.
Schon der dunkle, traplastige Opener ist eine Reminiszenz an Miller: Den Songtitel „Imagine” trug der Rapper als Tattooschriftzug auf seinem Arm. Trap und der coole Minimalismus von Gruppen wie Migos bleiben auch auf Albumlänge wichtige Einflüsse; Grandes einst überbordender Sound kehrt in einer beinahe düsteren, zurückgenommenen Version seiner selbst zurück, der ihr gut steht, aber kaum eigene Akzente in der R’n’B-Gegenwart setzt. Besonders gut funktioniert das im licht- und luftdurchlässigen „Ghostin“ und dem strahlenden, lässigen Minihit „Make up”. In der hedonistischen Vorabsingle „7 Rings”, die den gepflegten Einkaufsbummel zum therapeutischen Akt umdeutet, sampelt Grande „My Favourite Things“ aus dem Musical „The Sound of Music“.
Wenn SWEETENER Grandes kreativer Befreiungsschlag war, hält THANK U, NEXT das Niveau souverän, ohne den Wagemut des Vorgängers übertreffen zu können. Ihr karrieredefinierendes Album bleibt sie der Welt trotzdem schuldig. Ein großer Spaß ist es natürlich, wenn Grande das streckenweise so dunkle Traumabewältigungsalbum mit der garstigen Ansage „Break Up With Your Girlfriend, I’m Bored” enden lässt. Aber eben auch mal wieder: ein widersprüchliches Signal.