„The Blues Brothers“ ist eine um muppetmäßige Gospel-Momente angereicherte Buddy-Komödie
Linus Volkmann verreißt Klassiker der Pop- und Rockgeschichte. Heute wieder einen Film: die musiklastige Achtziger-Buddy-Komödie „The Blues Brothers“.
Seit Anfang 2019 schmeißt unser Autor Linus Volkmann eine Kolumne bei uns, in der er regelmäßig auf die jeweils zurückliegende Popwoche blickt. Eine der darin auftauchenden Kategorien heißt „Verhasster Klassiker“, und man raunt sich im Internet zu, dass sich die Kolumne schon (oder wahlweise nur) wegen dieses Rants gegen Platten, die angeblich jeder mag, jede Woche aufs Neue lohne. Und sei es nur, um Linus zu beleidigen!
Als Services des Hauses stellen wir die „Verhassten Klassiker“ nachträglich auch einzeln heraus. Den Anfang machte das fünfte, im September 1991 erschienene Album der Red Hot Chili Peppers, BLOOD SUGAR SEX MAGIK. Weil dieser Aufreger Eure Gemüter schon so reflexartig erhitzte, legten wir mit einer anderen vermeintlich unantastbaren Band nach: „Prätentiöse Kacke“ – so verriss Linus Volkmann ungehört das neue Tool-Album, das im Laufe des Jahres wirklich erschien. Weiter ging es mit dem Debüt einer weltweit erfolgreichen Rockgruppe, die damals noch keine war: FOO FIGHTERS, das vom „sympathischsten Kerl im Rock’n’Roll“, Mr. Nice Guy Dave Grohl, fast im Alleingang eingespielte erste Album der Foo Fighters.
Dann geschah die unglaublichste aller Unglaublichkeiten: Linus Volkmann zog über die von unserer Redaktion teilweise angeblich, teilweise aber tatsächlich verehrten Radiohead her. Über RADIOHEAD! Beim Musikexpress!! Was würde als Nächstes kommen? Oasis? Jep. Genau das kam.
Es folgten die Gorillaz, ein vermeintlicher Klassiker des Deutschraps, „die größte Indierockband der Welt“ (musikexpress.de), die „größte Rockband der Welt“ (ebenfalls Musikexpress), ein „Meilenstein des Stonerrock“, eine Band, deren Musik leider nichts von deren Lifestyle abgekriegt hat und Träger speckiger Cordhosen und Trainingsjacken aus der Hamburger Schule. Dann kam etwas Isländisches zum Träumen, etwas Horrormäßiges zum Tanzen, etwas Französisches nur angeblich Schräges – und nun absolut Uncooles.
DER VERHASSTE KLASSIKER: „The Blues Brothers“
„The Blues Brothers“
(USA / 1980)
Cool, zwei weiße affige Typen, deren Coolness sich auf einer penetrant durchgezogenen Blaxploitation und pathologischem Rumgefrotzel begründet. Das war Anfang der Achtziger möglicherweise noch was. So à la: „Erstaunlich, Sven, wie locker diese ungleichen Brüder da mit den Schwarzen umgehen. Vielleicht sollten wir doch auch mal in die Staaten reisen? Wir müssen ja nicht gleich nach Harlem oder in die Bronx. Wir können ja erstmal im Hotelzimmer am Flughafen bleiben.“ Oder so ähnlich halt.
In Amerika ging die um muppetmäßige Gospel-Momente angereicherte Buddy-Komödie dereinst übrigens komplett unter. Im fernen Europa reichte es allerdings zum fiesen Prädikat „Kultfilm“. Und da bei Netflix die Praktis gerade wieder ein paar Videotheken-Keller aufgekauft zu haben scheinen, taucht dieser Schrottvogel von Regisseur John Landis aus dem Jahre 1980 auch wieder auf den heimischen Sofa der Zukunft (lies: 2019) auf.
Wer nun wie ich testen möchte, wie das Ding gealtert ist, den übermüllt Schreckliches. Es ist so, als wenn man husten muss und dann aber plötzlich kotzt. Das hatte man nun doch nicht kommen sehen!
Dieser Mischung aus „Charlys Tante“, „Sister Act“ mit männlichem Cast und viel zu viel Mundharmonika-Gefiepe ist nicht die Zeit schlecht bekommen, nein, sie ist komplett toxisch geworden. Klar, unsere Großeltern hatten es schlimm mit dem Krieg und allem, aber hey, ich habe heute „Blues Brothers“ wiedergesehen. Von wegen Gnade der späten Geburt.
– Linus Volkmann („Filmjournalist“)
Dieser Rant erschien zuerst in Folge 19 von Linus Volkmanns Popkolumne:
Was bisher geschah? Hier alle Popkolumnentexte von Linus Volkmann und Julia Lorenz im Überblick.