The Strokes spielen hudeligen Art-School-Nassmüll
Linus Volkmann verreißt Klassiker der Pop- und Rockgeschichte. Heute trifft es das 2001 erschienene Debütalbum der New Yorker Garage-Rocker The Strokes.
Seit Anfang 2019 schmeißt unser Autor Linus Volkmann eine Popkolumne bei uns, in der er im Wechsel mit Julia Lorenz regelmäßig auf die jeweils zurückliegende Popwoche blickt. Eine der darin auftauchenden Kategorien heißt „Verhasster Klassiker“, und man raunt sich im Internet zu, dass sich die Kolumne schon (oder wahlweise nur) wegen dieses Rants gegen Platten, die angeblich jeder mag, jede Woche aufs Neue lohne. Und sei es nur, um Linus zu beleidigen!
Als Services des Hauses stellen wir die „Verhassten Klassiker“ nachträglich auch einzeln heraus. Ihr ärgert Euch doch immer so gerne/schön über Linus, seine Auswahl und seine „Argumente“!
DER VERHASSTE KLASSIKER: The Strokes – IS THIS IT
The Strokes
„Is This It“
(30.07.2001)
Ich habe schon mal erwähnt, wie hundeelend ich den Sound zu Anfang der Nuller fand: Die elektronische Musik war nervtötend manieriert, der Reihenhaus-Deutschrap um Denyo, Afrob, Massive Töne und ähnliche Gestalten textlich einfach doof. Und Gitarre? Gitarre spielten zu der Zeit nur noch abgehängte Dinos wie Oasis („Standing On The Shoulder Of Giants“) oder karrieremäßig ernsthaft Selbstmordgefährdete.
Bis auf einmal im Six Pack zu Köln der damalige Chefredakteur der Spex von der neuen Gitarrensensation zu berichten wusste. Ihm lief Spucke aus dem Mund, mit einer Zeitung versuchte er notdürftig seine Erektion zu verbergen. Ich arbeitete damals in einem konkurrierenden Verlag, daher erzählte er das alles nicht mir, doch ich beobachtete die Szene von hinter einem Vorhang aus – und hatte mir den Bandnamen notiert. The Strokes. Aha. Das sollte „the next big thing“ werden?
Nun, der Mann behielt recht. Was er verschwieg war allerdings, was für eine eselige Retromucke sich hinter dieser Nummer verbarg. Wie schlecht es Rock in den frühen Nullern ging, lässt sich wirklich daran ausmachen, dass dieser narzisstische Garage-Rip-Off zum Sound der Stunde wurde. Hudeliger Art-School-Nassmüll, die einer ganzen Generation als räudig, echt und gefährlich verkauft wurde.
Ey, das einzige, was man den komischen Pin-Up-Boys der Strokes zu Gute halten muss: Sie waren nicht ganz so lächerlich wie alles, was die nächsten Jahre im Zuge der sogenannten „The“-Band-Welle noch durch den Abfluss der Musikindustrie begleitet werden wollte.
– Linus Volkmann („Musikjournalist“)
Dieser Rant erschien zuerst in Folge 37 von Linus Volkmanns Popkolumne:
Was bisher geschah? Hier alle Popkolumnentexte von Linus Volkmann und Julia Lorenz im Überblick.