WEISSER KRAGEN, SCHWARZE FINGERNÄGEL


Die Trickle-Down-Theorie kann man so interpretieren: Moden setzen sich von oben (der Oberschicht) nach unten (zur Unterschicht) durch. Die Unterschicht strampelt sich bei einer Mimikry ab, mit der sie nur beweist, wie unterlegen sie der Oberschicht ist. Sie will, aber kann nicht (aufgrund fi nanzieller und kultureller Defi zite).

Darüber können englische Proleten nur lachen. Wenn sie die Zeichen der White-Collar-Kultur (weißes Hemd, Mantel, Burberry-Karo etc.) aufgreifen, ist das keine Anbiederung an die Ästhetik des Establishments, sondern eine feindliche Übernahme. England kultiviert eine einzigartige Proll-Kultur aus weißem Hemd plus Dosenbier, Knuckle-Tattoo plus Burberry-Kappe, die das Klassen-Modell von oben, Mitte, unten auf den Kopf stellt. We rule, mate!

Von den Mods der 60er-bis zu den Chavs der Nullerjahre zieht sich diese Haltung durch. Die Mods brüskieren die britischen Gentlemen, indem sie deren Distinktionsanspruch über die Spitze treiben. Die Chavs brüskieren die Gentlemen, indem sie deren liebste Klasseninsignien zurüpeln. In einer Band wie The Jam trafen sich beide Haltungen: Paul Weller gab den Mode-Feingeist, den kommenden Intimus des „Cappuccino Kid“. Seine Kumpels Rick Buckler und Bruce Foxton lieferten die Blaupause für die Chavs. Vor allem Drummer Rick Buckler wäre trotz hochgeschlossenem Button-down-Hemd und Internats-Haarschnitt nie auf eine Cocktailparty gekommen.

Die Sleaford Mods beerben auf grandiose Weise die Rick-Buckler-Haltung. Sie müssten eher Sleaford Chavs heißen. Mit dem Lineal gezogener Kurzhaarschnitt, weißes, zugeknöpftes Hemd, gedeckter Wollmantel -und die Stänker-Schnauze aufreißen bis dort hinaus. Wie sehr sie sich der Grenze zwischen dem längst verharmlosten, historisierten Mod-Look und dem immer noch verunsichernden Chav-Look bewusst sind, zeigt die Wahl ihrer Sweater-Marke: nicht Fred Perry oder Ben Sherman, sondern Umbro. Der englische Traditionshersteller von Fußballtrikots (mittlerweile in US-Hand) ist der Liebling aller Council-Housing-Bewohner, die keinen Rülps darauf geben, ob sie von jemandem außerhalb ihres Umfeldes verstanden werden. Sie klauen dem Establishment Burberry, aber das Establishment ist nicht auf Zack genug, ihnen Umbro zu klauen. Eins zu null für die Prolls.