Conor Oberst: CONOR OBERST
Seit Bright-Eyes-Mastermind Conor Oberst sein diesjähriges Soloalbum veröffentlicht hat, sind einige Monate vergangen. MUSIKEXPRESS-Leser Christian Frei hat sich die Mühe gemacht, noch mal genau hinzuhören. Und hat ein Meisterwerk entdeckt.
Das Jahr 2008 war in der Tat ein Jahr voll eindrucksvoller Musik. Vieles blieb hängen, so mancher Hochkaräter konnte da schon mal in der Veröffentlichungsflut untergehen. Und als vor wenigen Monaten Bright Eyes–Mastermind Conor Oberst sein erstes Soloalbum präsentierte, kam es einem zunächst wie ein Häppchen vor, ein Appetitmacher, der einem die Wartezeit bis zur nächsten Platte seiner Stammband verkürzen sollte. In Wahrheit aber bringt er hier seine Kunst zur Meisterschaft.Conor Oberst musste sich schon viele (durchaus schmeichel- hafte) Vergleiche gefallen lassen. Vom neuen Leonhard Cohen war die Rede. Vom neuen Kurt Cobain. Vom neuen Bob Dylan. Aber ganz egal mit wem man ihn auch vergleichen wollte, in einem waren sich alle einig: Er ist das musikalische Wunderkind des neuen Jahrtausends. Ein Vergleich ist überflüssig, Oberst steht für sich.Und wer ihm das bisher nicht geglaubt hatte, dürfte auf dieser Platte 12 überzeugende Argumente dafür finden. Etwas reduzierter geht es zu auf CONOR OBERST. Der Meister spart sich die Gimmicks, die seine letzten Platten veredelt haben und setzt allein auf das Songwriting. Was ihm bestens gelingt. Der Einstieg „Cape Canaveral“ macht schon klar, dass es für einen guten Song unter Umständen nicht mehr braucht als eine akustische Gitarre, eine Stimme und lyrisches Talent.Und auch wenn man an dieser Stelle einige der Songs des Albums hervorheben möchte, so werden doch alle von dem überschattet, was während der 3 ½ Minuten von „Get-well-cards“ passiert. So hört sich Songwriting in Perfektion an! Und auch wenn sich der Vater dieser Zeilen zu Beginn vehement gegen den Dylan-Vergleich ausgesprochen hat, so bleibt ihm nun gar keine andere Wahl, als diesen zu rezitieren. Vor 30 Jahren hätte ein gewisser Robert Allen Zimmermann wohl seine letzte Mundharmonika für ein solches Stück Musik verschenkt.Dies wäre ein Nummer-1–Hit. In einer gerechten Welt, versteht sich. Das es keine ist, weiß Connor Oberst natürlich selbst gut genug und stellt dies im folgenden „Lenders In The Temple“ auch gleich eindrucksvoll klar. Wieder nur mit der Akustischen begleitet, leidet er sich durch 4 ½ schmerzvolle Minuten. Sentimental klingt das nie. Aber echt und wahrhaftig. Vielleicht ist auch dies das Highlight des Albums. Man mag sich da gar nicht festlegen, wenn jemand mit so sparsamen Mitteln so viel große Momente schafft. Zur Mitte des Albums stellt Oberst dann klar: „I Don’t Want To Die (In A Hospital)“. Und bei der dazugehörigen Musik möchte man sich vorstellen, wie Oberst durch die Intensivstation des besungenen Krankenhauses spurtet und dieses Lied zum Besten gibt, worauf alle Patienten wie durch ein Wunder aus ihren Betten aufspringen und durch die Gänge tanzen. Die Ärzte stehen fassungslos da und wissen nicht, wie ihnen geschieht ob dieser medizinischen Sensation. Aber auch wenn wir bei der Realität bleiben, ist dieser Country-Schunkler ein echter Muntermacher. Und so schlimm ist das Leben ja auch nicht. „There´s nothing that the road cannot heal“ stellt Oberst in hymnischen „Moab” fest, bevor er mit der Single “Souled Out!!!” kurz vor Schluss noch mal zeigt, dass keiner so schön schreien kann wie er. Und dass im Jahr 2008 keiner so gute Songs schreibt.
Christian Frei – 28.11.2008