Julian Plenti – Julian Plenti Is…Skyscraper


Interpol-Frontmann Paul Banks schlüpft in die Rolle des Julian Plenti, um das auszudrücken, wofür er bei seinem Hauptarbeitgeber keine Stimme fand.

Paul Banks ist jetzt Julian Plenti und auch sonst hat sich einiges geändert. Zunächst einmal ist es eine Genugtuung festzustellen, dass Banks sich auch außerhalb des interpolischen Kontextes auszudrücken vermag und zwar ohne bloßes Wiederkäuen bewährter Konzepte. Natürlich ist der düster romantische Anstrich nicht abgesondert worden, eine reine Sommerplatte, wäre wohl ein identitätsbeschädigendes Unterfangen geworden. Die Faszination der Interpolplatten lag und liegt in der Sogwirkung, die sie nach ausgiebiger Beschäftigung auszulösen vermögen. Speziell bei „Antics“ wurde durch Gleichförmigkeit Dringlichkeit evoziert. Banks Emanzipation als Solist atmet nun die Aura des Unfertigen, den Mut zur Songskizze, was einen angenehmen Gegenpol zu den mitunter perfekt inszenierten Songzyklen seiner Hauptband darstellt. Fast scheint es, als wolle Banks trotz seiner Maskerade sicher gehen, dass man ihn erkennt, so hat er mit „Only If You Run“ einen Opener gewählt, dem eine majestätische Schwere inne wohnt und der auch im Kontext der Interpolplatten funktioniert hätte. Doch mit zunehmender Spieldauer, öffnet er seine Ideenkiste. In „Skyscraper“ wird unter Verwendung aristokratischer Streicher große Kunst geschaffen, Banks lässt den Song erst zur romantischen Sinfonie emporsteigen, bevor er mit seinem sonoren Trademarktimbre einsetzt. Die Kammermusik im „Madrid Song“ ist eine weitere, bisher nicht gekannte Facette. Oftmals hält Banks seine Songs im Status des Akustischen, baut wahlweise wohl dosierte Streicher oder Klaviereinsprengsel drumherum, was seinen Kompositionen, trotz des oft vorherrschenden melancholischen Untertons, eine gewisse Leichtigkeit verleiht. Den gravitätischen Ernst, hat er eingetauscht gegen leichtere Kost. Einmal begeht sogar einen regelrechten Tabubruch, indem er in „Unwind“ einen ganzen Spielmannszug agieren lässt, inklusive einer Europegedächtnisfanfare-da ist das Glas dann zum bersten gefühlt mit Euphorie. Glücklicherweise hat Banks auf den Versuch des ganz großen Statements verzichtet, und wie sich das für Soloplatten gehört ist nach 38 Minuten alles wieder vorbei. Skyscraper ist nicht perfekt, hier und da steht auch schon mal eine Gitarre unbehandelt im Raum, oder Elektrotupfer wirken deplatziert, aber gerade das macht den Charme dieser in der Summe sehr feinen Platte aus.

Kai Wichelmann – 07.08.2009