„Montage of Heck“
Regie: Brett Morgen
Man darf sich beim Berlinale-Film „Montage of Heck“ gern fragen: Muss eine Doku noch einmal die Lebensgeschichte von Kurt Cobain durchkauen? Die simple Antwort: Unbedingt.
Als Die-Hard-Fan von Nirvana war mir natürlich nie klar, warum das Mögen einer genialen, schrammeligen Band, die an vielen Punkten ihrer Karriere gute Entscheidungen gefällt hat, heute ab und an verächtlich belächelt wird. Werdegang, Hintergrundgeschichten, Hochs, Tiefs und Privates – all das wurde seit dem Tod von Kurt Cobain vor gut 21 Jahren wie ein Mantra wiederholt, dass es weniger geneigten Musikhörern aber auch wirklich aus den Ohren herausquellen kann. Nicht zuletzt trug Charles R. Cross mit seiner Biografie „Heavier Than Heaven“, noch dazu bei, etwaige Lücken zum Privatleben des Musikers zu schließen. Mit Brett Morgens Dokumentation „Montage of Heck“ geht es aber noch einmal mehr ans Eingemachte.
Angefangen mit einem kleinen krabbelnden Strahlemann, dem die Herzen nur so zuflogen, über rasante Abschnitte eines revoltierenden Jugendlichen bis hin zum langsamen Dahinsiechen eines überdurchschnittlich begabten Künstlers. „Sein Kopf war ständig in Betrieb“, sagt Schwester Kim zu Beginn des Films über Kurt Cobain. Früher habe sie sich oft geärgert, dass sie nicht mit so einem schier grenzenlosen Potenzial wie dem ihres Bruders gesegnet wurde, heute ist sie froh darüber. Im Film kommen zahlreiche Familienmitglieder und Wegbegleiter zu Wort, zudem bedient sich Regisseur Morgen an Tagebucheinträgen, Audiofetzen und Zeichnungen des Musikers. Unkitschige Animationen visualisieren die Stationen seines Lebens, zu denen keine Mitschnitte vorlagen.
Der Film „Montage of Heck“ verzichtet auf unnütze Plattitüden über den gefallenen Helden, dem der Erfolg über den Kopf wuchs, entfremdet bis ins Endlose abgespultes Material wie das Video zu „Smells Like Teen Spirit“ und zeigt bekannte Szenen aus bizarren bis herzzerreißend schönen Blickwinkeln. Die Liebe zu „Partner in Crime“ Courtney Love, seiner Zeit Klatschpresse-Thema Nummer eins, erzählt Morgen anhand von privatem Filmmaterial aus dem Familienfundus – es sind skurrile Momente, in denen sich beide von ihrer ungeschönten und zugleich schönsten Seite zeigen. Cobain als Komiker, der sich beim Rasieren einen lächerlichen Schnauzbart stehen lässt, um seine Frau zum Lachen zu bringen. Die Freude darüber versickert spätestens, wenn man sich wieder vor Augen führt, dass es viele der amüsanten Szenen ohne die gemeinsam zelebrierte Drogenabhängigkeit wohl so nie gegeben hätte.
„Montage of Heck“ zeigt dank des Mitwirkens von Tochter Frances Bean überdeutlich eine bislang unveröffentlichte Seite von Kurt Cobains Leben. Manchmal ist das brutal wie ein Schnellzug in die Eingeweide – wenn Vater Don unbeholfen mit den Fingern trommelt, um Worte für das zu finden, was er seinem Sohn besser schon damals hätte sagen sollen. Andere Szenen wiederum verdeutlichen schlicht pulsierende Augenblicke, die zu dem beitrugen, was wir heute Wissen über die Band Nirvana nennen. „Es war vorherbestimmt, dass es Kurt gab“, da ist sich seine Mutter sicher. Und die permanente Gänsehaut im Kinosessel, die gibt ihr recht.