Antony & The Johnsons

Turning

Rough Trade/Beggars/Indigo

Das Projekt von Kunstlied-Liebling Antony Hegarty ist eine Feier der Transsexualität – in Bildern und tremolierenden Identitätshymnen.

Die Stars dieser Shows stehen auf einer Drehscheibe rechts auf der Bühne, der Videokünstler Charles Atlas filmt sie während der Konzerte von Antony & The Johnsons, projiziert Close-ups von ihnen auf eine Leinwand. Es sind Vexierbilder: aufregend schön und diffus, Geschlechterstereotypen in fortlaufenden Kreisen sich wie selbstverständlich auflösend. Die Bilder zeigen Trans­sexuelle, Frauen diverser sexueller Orientierungen, Models, die sich im Mummenschanz definieren, wir erkennen die Transgender-Sängerin Nomi Ruiz vom Brooklyner NuDisco-Trio Jessica 6, die einst Hercules And Love Affair ihre Stimme auf deren Debütalbum gab.

Es gibt keine Erklärung, wer die Stars dieser Abende sind und wo sie herkommen, in den kurzen Interviews, die Antony zwischen den Shows mit ihnen führt. In seinen Songs aber, den tremolierenden Identitätshymnen und Self-Empowerment-Balladen, werden ihre Geschichten lebendig – „Hope There’s Someone“, „For Today I Am A Boy“. TURNING, so der Titel des CD-DVD-Projekts von Antony Hegarty und Charles Atlas, sucht in Bildern und Musik eine Annäherung an die Diversität des Sichselbstfindens und -auslebens.

Die CD wurde 2006 im Londoner Kulturzentrum „Barbican“ aufgenommen, Antony, von einem Piano und einem Kammerensemble begleitet, zirkelt mit brüchiger Stimme seine emotionalen Bögen auf die Bühne, die Songs, die ihn berühmt machten, sind hier alle zu hören, es ist ein Best-of seiner ersten Alben: „You Are My Sister“, „I Fell In Love With A Dead Boy“, „Kiss My Name“, „One Dove“, alle sind sie da. Die eigentliche Überraschung ist eine andere: wie Hegarty diese Lieder ins Meditative trans­zendiert, ohne den Kontakt zum Publikum zu verlieren.

Zwei bislang nie veröffentlichte Stücke am Ende der 17 Songs umfassenden Tracklist sollten die Kauflust noch einmal erhöhen: „Tears, Tears, Tears“ und die verwunschene Bläser-Ballade „Whose Are These“, mit der wir einen neuen Klassiker im Katalog Antonys begrüßen dürfen. Aber man muss das alles unbedingt auch sehen, TURNING ist eine Feier der Transsexualität geworden, die erst in der Überlagerung von Bildern und Songs ihre volle, nein: wundervolle Wirkung entfaltet.