„American Psycho“ wird 20: Der Popkultur-Yuppie unter den Psychopathen
Im Jahr 2000 kam die umstrittene wie bejubelte Romanvorlage von Bret Easton Ellis‘ „American Psycho“ als Verfilmung in die Kinos. Auch zwanzig Jahre später können die dargestellte Oberflächlichkeit, Brutalität und überzogene Popkultur-Vergötterung noch polarisieren, wenn auch in einem etwas veränderten Licht. Hier sind vier Gründe, warum dieser Film ein erstes oder auch erneutes Anschauen lohnt.
Erstens: Die Romanvorlage
Der Roman erschien bereits Anfang der 1990er-Jahre und war in Deutschland von 1995 bis 2001 wegen seiner gewaltverherrlichenden Inhalte als jugendgefährdende Schrift auf dem Index. Glücklicherweise erreichte der Verlag Kiepenheuer & Witsch im Februar 2001 eine Aufhebung der Indexierung, in der Zwischenzeit hatte das knapp 550 Seiten starke Buch weltweit längst Kultstatus erreicht und den Autor Bret Easton Ellis zu einem der provokantesten und wichtigsten Autoren der Y2K-Popkultur gemacht.
Die Geschichte spielt im Jahr 1987, die Hauptfigur Patrick Bateman ist ein faszinierend-verabscheuungswürdiger Wall-Street-Banker, eine überzeichnete Fratze des narzisstischen Yuppie-Klischees und nebenbei ein sadistischer und frauenfeindlicher Serienkiller. Dazu gesellen sich – für die Zeit ungewöhnlich – ausführliche Auflistungen von angesagten Produktmarken und Firmennamen. Egal ob es um eine Mikrowelle, eine Uhr, ein Herrenoberhemd, eine Brille oder eine vermeintlich belanglose Visitenkarte geht, Ellis skizziert die Umgebung von Bateman wie eine Hot-oder-Schrott-Ergebnisliste aus der Internet-Steinzeit und unterfüttert diese mit selbstgerechten Ausführungen zu aktuellen Popmusik-Singles von Genesis („In Too Deep“), Robert Palmer („Simply Irresistible“) oder New Order („True Faith“).
Erschreckender als Batemans ausgelebte Gewaltfantasie ist vielleicht nur noch sein glattgebügeltes Elite-Umfeld, in dem sich Personen ständig verwechseln, und Gespräche so belanglos-oberflächlich geworden sind, dass es schlussendlich egal ist, wer hier nun vermeintlich mit wem spricht. Mit dieser überzogenen, schwarzhumorigen Drastik hat Ellis ein befremdliches, aber auch äußerst faszinierendes und spannendes Meisterwerk abgeliefert, dem die Verfilmung trotz des Fehlens einiger Gewaltexzesse eigentlich kaum nachsteht.
Zweitens: Die Kritiken
Die lange als unverfilmbar geltende Romanvorlage wurde im Jahr 2000 von der kanadischen Regisseurin Mary Harron („I Shot Andy Warhol“) und Co-Drehbuchautorin Guinevere Turner umgesetzt, nachdem Oliver Stone das Handtuch geschmissen hatte, und erhielt ebenso wie das Buch überwiegend gute Kritiken. Der britische „Guardian“ sprach von einer Art „Pulp Fiction printed on glossy magazine paper“ und einem „Driller Killer in a Cerruti suit“. Der „Spiegel“ sieht sich in seiner wohlwollenden Besprechung von den „sehr nahen und langen Schwenks“ in eine Filmästhetik der achtziger Jahre zurückversetzt. Das Filmportal imdb.com listet ihn mit 7,6 von 10 Punkten und hat ganze 47 „Goofs“ zum Film parat, u.a. dass es das Bang & Olufsen-Telefon neben Batemans Bett in den 1980ern noch gar nicht gab.
Drittens: Der Hauptdarsteller
Wer hätte die Rolle besser verkörpern können als Christian Bale? Ihm nimmt man die makellose Oberflächlichkeit genauso überzeugt ab wie den blutrünstigen Wahnsinn, der sich im Laufe des Films entwickelt. Auf der Besetzungsliste standen angeblich auch Leonardo DiCaprio (akzeptable Alternative), Johnny Depp, Brad Pitt, Edward Norton und Keanu Reeves. Glücklicherweise war Bale für Harron der Favorit in der Rolle von Bateman, während DiCaprio angeblich Stones erste Wahl gewesen wäre. Bale gewann 2001 für seine Darstellung den Chlotrudis Award der amerikanischen Chlotrudis Society for Independent Film. Ob die Rolle, die ihn rein inhaltlich auch in den Abgrund der Hollywood Hills hätte reißen können, für Bale vielmehr ein Karriere-Boost war, ist schwer zu sagen. Aber immerhin konnte er ein paar Jahre später als Batman in der Dark-Knight-Trilogie („Batman Begins“ von 2005, „The Dark Knight“ von 2008 und „The Dark Knight Rises“ von 2012) in die erste Reihe der Hollywood-Superhelden aufsteigen.
Viertens: Der bösartige Kult
Dass die Figur Patrick Bateman Einfluss auf die Popkultur hat, beweist nicht nur die Tatsache, dass er einen eigenen Wikipedia-Eintrag besitzt. Einige deutsche und auch österreichische Rapper wie Prinz Pi, Morlockk Dilemma und Money Boy nutzten Zitate oder Verweise auf Bateman, möglicherweise um ihre Street-Credibility zu unterstreichen. Dexter aus der gleichnamigen, 2006 gestarteten Fernsehserie nutzt den Tarnnamen Dr. Patrick Bateman. Der Journalist Dwight Garner bezeichnet Bateman 2016 in einem Artikel für die „New York Times“ rückblickend als ein „pop something“, einen „grinsenden, blutbefleckten nationalen Gargoyle“ und stellt bestürzt fest, dass es Actionfiguren von Bateman zu kaufen gibt, GIFs aus dem Film im Web noch immer allgegenwärtig sind und an Halloween mal mindestens einer auf der Party stets als Bateman verkleidet erscheint.