Taylor Swift
Evermore
Taylor Swift (11.12.2020)
Überraschung, die zweite: Taylor Swift wiederholt das Wirkprinzip des Vorgängers, versieht es allerdings mit einigen Fußnoten.
„I come back stronger than a nineties trend“: Das singt Taylor Swift in „Willow“, dem Opener dieses Albums. Sie hat gleichzeitig unrecht und recht; zunächst einmal ist EVERMORE, das nach nicht einmal einem halben Jahr Abstand zu ihrer vorherigen Veröffentlichung FOLKLORE erscheint, keine Wiederkehr. Der Wirbel um den Vorgänger war bis gestern noch in vollem Gange, viele, die die Vinyl-Version des Albums im Shop der Künstlerin bestellt hatten, bekamen diese überhaupt erst in den vergangenen Wochen zugestellt. Recht hat Swift aber, weil die 15 neuen Songs 15 gute Argumente gegen etwas sind, das ihr bisweilen zu Unrecht angedichtet wurde: Die Hinwendung zu einer Spielart der Popmusik, die nicht nur auf die große Geste setzt, sondern sich auch Experimente erlaubt und im Zweifel eher nach innen als nach außen blickt, war kein kleines, neckisches Projekt zwischen den Zeiten, sondern Teil einer Weiterentwicklung, die ganz offenbar noch in vollem Gange ist.
Natürlich hätten „Dorothea“ oder „Champagne Problems“ auch auf den Vorgänger gepasst. EVERMORE ist aber deutlich variabler geraten als FOLKLORE. Einige Songs, etwa „Gold Rush“ sind nur wenig verhuscht, stehen im munteren Dialog mit den kontemporären Pop-Elementen, die die Alben der mittleren Swift-Phase ausgemacht haben. An anderer Stelle wiederum sucht Swift gemeinsam mit Aaron Dessner, der abermals für den Großteil der Produktion verantwortlich zeichnet, wieder nach neuen Wegen, lässt es klackern, fiepsen, stolpern. Eine gewichtige Rolle spielen dabei Bryce Dessner, der für viele Songs die Streicher arrangierte und Justin Vernon, der nicht nur als Duettpartner im Titeltrack zu hören ist, sondern auch (unter anderem) Banjo, Gitarre und Synthies spielt.
Bleiben die Gäste: Mal fügen sie sich recht nahtlos ein (Haim etwa im schwer Nineties-infizierten „No Body, No Crime“ oder Marcus Mumford, der in „Cowboy Like Me“ ein bisschen backgroundmurmelt). Andere agieren offensichtlicher: „Coney Island“ entstand mit der gesamten Band The National. Die einzelnen Mitglieder tauchen ohnehin über das Album verteilt auf; sie hier gesammelt zu hören, vor allem Matt Berninger, der seine Gravitas an den Glockenklang von Swift koppelt, ist schon eine große Freude. Taylor Swift singt hier übrigens: „We were like a mall before the internet, it was the one place to be“. Eine gute Gelegenheit auf etwas hinzuweisen, worüber wir noch gar nicht geredet haben: Eine der smartesten Texterinnen im angloamerikanischen Pop, eine, die immer wieder Bilder findet, die Blicke scharfstellt, die Eindrücke passgenau in knappe Zeilen gießt, ist sie nach wie vor.
Taylor Swifts neues Album EVERMORE hier im Stream hören: