Stilkolumne

Die Krawatte als Zeichen von männlicher Dominanz oder Fragilität


Amerikas beste Rapper binden sich Schlipse um – wie doof ist das denn? Oder ist es doch viel cooler, als wir immer dachten?

Man muss nicht immer gleich einen neuen Trend ausrufen, nur weil zwei Popstars mehr oder weniger zeitgleich etwas Überraschendes tragen. Aber wenn die betreffenden Stars Tyler, the Creator und Frank Ocean heißen und zu den respektiertesten Oberstylern im Pop zählen, dann fragt man sich eben: Kommt die Krawatte zurück?! „Ja“, war sich die Fashion-Plattform Highsnobiety vor einigen Monaten schon sehr sicher, und man muss sagen: Es sieht tatsächlich ganz schick aus, wie Frank Ocean mit grün-blau-karierter Krawatte und superraren Nike-VaporMax-Sneakers auf einem Vintage-Mountainbike der Marke Klein posiert. Und es wirkt auch schick, wenn Tyler, the Creator eine frühlingsgrasgrüne Seidenkrawatte sehr nachlässig bindet und unter dem V-Ausschnitt eines senffarbenen Gucci-Strickpullis fast schon wieder versteckt (im November bei der LACMA Art and Film Gala in Los Angeles).

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Wenn daraus ein Trend wird, könnte man ihn als die neue school uniform realness bezeichnen. Ocean trug über seiner Krawatte nämlich ein Oversize-Jackett, das ihn wirken ließ, als müsse er erst noch hineinwachsen. Und Tyler kombinierte seine Krawatte mit kurzen Hosen und hochgezogenen Tennissocken: der Schuljungen-Look. Wer denkt da nicht an Angus Young, den fleißig herumpelstilzenden AC/DC-Gitarristen, der in den 1970ern aus der kurzhosigen Schuluniform mit Krawatte sein Erkennungszeichen machte. Schule vorbei, keine Zeit zum Umziehen, ab in den Proberaum, alles schön runterrocken! Das war ein „Fuck you“ in beide Richtungen – an die Konventionen der guten Erziehung und an den Rock. Der Standard-Look für Männer bestand ja damals aus hodenabquetschenden Schlagjeans und Leder-Westchen, die den Bauchnabel betonten.

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Ist die Krawatte heute auch so ein „Fuck you“? Schwer zu sagen. Klar ist, dass die Krawatte einen miesen Ruf hat – auch wenn sie an der Wall Street inzwischen nicht mehr zur Uniform gehört. Die Börsen-Bros von heute tragen ihr Hemd offen und darüber kein Jackett mehr, sondern eine Patagonia-Weste. Sie wollen eben lässig aussehen. Aber da war immer noch Donald Trump, mit seinen superbreiten, extralangen Krawatten. Der textile Pimmelmarker in Kriegsfarbe Rot, ein Symbol zugleich maskuliner Dominanz und Fragilität. Können Tyler, the Creator und Frank Ocean daran etwas ändern, machen sie die Krawatte wieder cool? Wer hin und her gerissen ist, kann es schön auf Englisch sagen: It’s a tie.

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Frazer Harrison Getty Images