Kritik

Miniserie „Schnelles Geld“ auf Netflix: Ein schnell abebbender Adrenalinrausch


Aufschneiderische Start-up-Kultur und Gangstermilieu in Stockholm – mit einer spannenden Prämisse startet die schwedische Thriller-Serie „Schnelles Geld“, enttäuscht aber trotz einer packenden Inszenierung mit schablonenhaften Figuren und Substanzlosigkeit.

Im Jahr 2006 brachte der schwedische Strafverteidiger und Romanautor Jens Lapidus seinen Erfolgsroman „Easy Money“ (Original: „Snabba Cash“) heraus, der 2010 in Form einer gleichnamige Film-Trilogie adaptiert wurde. Im Buch wie in den Filmen ging es um einen aus einfachen Verhältnissen stammenden Schweden, der in Stockholm ein Leben in der Oberschicht vortäuscht, aber in organisierte Verbrechen verstrickt ist. Seit Jahren ist ein amerikanisches Remake mit Zac Efron in der Hauptrolle in Planung, die schwedische Netflix-Miniserie „Schnelles Geld“ schaffte es jedoch schneller auf den Markt. Diese deklariert sich als von Jens Lapidus‘ Roman „inspiriert“ und erzählt die Geschichte um ein kriminelles Doppelleben in Stockholm neu.

Youtube Placeholder
An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Eine Frau unter Druck und ohne Wahl

Im Mittelpunkt steht diesmal eine Frau, die sich in der Start-Up-Szene von Stockholm durchschlagen will: Leya (Evin Ahmad) ist eine alleinerziehende Mutter mit Migrationshintergrund, die tagsüber in einem libanesischen Restaurant kellnert und sich danach intensiv ihrem vielversprechenden, aber notorisch unterfinanzierten Start-Up „Target-Coach“ widmet. In der Eröffnungsszene von „Schnelles Geld“ schreit sie sich vor dem dem Spiegel im Fahrstuhl an, ohrfeigt sich ein paar Mal und rast dann in den Coworking Space, um den Investor Marcus (Peter Eggers) von einem weiteren Zuschuss zu überzeugen. Dieser wird ihr zunächst versprochen, dann aber hinausgezögert – denn schließlich ist Marcus mit einer Wandelanleihe an Target-Coach beteiligt, die sich für ihn auch im Fall von Leyas Insolvenz auszahlen würde.

Kopfzerbrechen mit „Black Mirror“: Verwirrende Episoden erklärt

In letzter Minute erhält Leya schließlich ein lukratives Investment-Angebot vom Unternehmer Tomas Storm (Olle Sarri), einem gefeierten und abgehobenen Start-Up-Guru, dem sie neben Schufterei bis zum Burn-Out nur eins versprechen muss: Marcus als Anteilseigner loszuwerden. Dies kann Leya nur durch die Rückzahlung von knapp 150.000 Euro gewährleisten. Da ihre Mittel äußerst begrenzt sind, begibt sie sich für diese Summe in eine Welt, die ihr vertraut und fremd zugleich ist.

Doppelleben zwischen zwei Welten

Weit laufen muss sie dafür nicht: Im Wohnblock ihres Problemviertels, ganz unten im Lagerraum eines Spätshops, ist Ravy (Dada Fungula Bozela) als Chef einer Straßengang zugange und mit Leya bestens bekannt. Sie ist die Witwe seines verstorbenen Bruders und Mutter seines fünfjährigen Neffen Sami (Lennox Söderström), zu dem sie ihm bislang aber keinen Kontakt gewähren wollte. Aus gutem Grund: Schließlich ist Ravy im großen Stil im Drogenhandel aktiv und liefert sich aktuell einen erbitterten Revierkampf mit einer konkurrierenden Gang.

„Dark“ auf Netflix: Das Ende der Mystery-Serie erklärt

In diesen werden die Zuschauer*innen völlig unvermittelt durch die Figur Salim (Alexander Abdallah) eingeführt, als er sich an einem Nachmittag als Hochzeitssänger verdingt, bevor er als Mitglied von Ravys Gang einen Konkurrenten niederschießt. Wie Salim führt auch Leya bald ein Doppelleben, nachdem sie sich von Ravy Geld leiht, um mit ihrem Start-Up endlich durchstarten und das ihr verhasste Milieu hinter sich lassen zu können. Dass Salim und Leya bald miteinander anbandeln, ohne von der gegenseitigen Verstrickung in Ravys Machenschaften zu ahnen, macht den Plot zu Ende der ersten Episode äußerst vielversprechend.

Packende Inszenierung, undefinierte Figuren

Nur leider handelt es sich hierbei um ein Versprechen, das in den kommenden fünf Episoden nicht gänzlich eingelöst wird. Die Regisseure Jesper Ganslandt und Måns Månsson haben sehr viel in eine drastische Inszenierung mit äußerst dynamischer Kameraführung investiert, die sich vor allem in der packenden Darstellung der kriminellen Unterwelt samt blutigen Straßenkämpfen, Raubüberfällen und Verfolgungsjagden bewährt. Aber das Zusammenprallen von ebendieser Welt mit dem aufschneiderischen Start-Up-Milieu bleibt als interessante Prämisse von „Schnelles Geld“ auf der Strecke. Fast durchweg bleibt der Fokus über die sechs Episoden auf der Unterwelt, während die Start-up-Kultur nur schemenhaft und äußerst oberflächlich erfasst wird – bis zum Schluss bleibt beispielsweise sehr unklar, welchen Service Leyas Start-Up eigentlich anbietet.

„Sky Rojo” (Staffel 1) auf Netflix: Bei dieser brutalen Irrfahrt bleibt die Substanz auf der Strecke

Womit wir beim anderen Problem von „Schnelles Geld“ wären: Oberflächlich bleiben auch fast alle Figuren. Angefangen vom düster daherredenden und erstaunlich inkompetenten Gangchef Ravy, über seine kopflos agierenden Rivalen bis zum umherjettenden Unternehmer Tomas Storm haben wir es mit so schablonenhaften Charakteren zu tun, dass jede ihrer Taten zwangsläufig überrascht – nicht auf gute Weise. Lediglich Salim bleibt als krimineller Romantiker, der zaghaft von einem besseren Leben zu träumen und sich zu wandeln beginnt, interessant. Was wiederum nicht schwer ist an der Seite einer Protagonistin, die aus nichts als Ambition und Druck zu bestehen scheint. So entwickelt sich „Schnelles Geld“ nach einigen Episoden leider zu einer äußerst handlungsgetriebenen Aneinanderreihung von Actionszenen, deren Adrenalinrausch aufgrund allgemeiner Substanzlosigkeit rasch abebbt.

 Die sechs Episoden von „Schnelles Geld“ stehen seit dem dem 7. März 2021 auf Netflix im Stream zur Verfügung.

Netflix
Netflix