Ozan Ata Canani

Warte mein Land, warte

Fun In The Church/Bertus (VÖ: 28.5.)

Der Gastarbeitersohn sang als erster Migrant auf Deutsch. Nun endlich erscheinen die Lieder des Singer/Songwriters, die viel mehr sind als zeitgeschichtliche Dokumente.

Ein Ozan ist ein Dichter, das Wort fast ein Ehrentitel in der Türkei. Dass sich Ata Canani nun Ozan nennt, das ist auch Selbstermächtigung, ist der 57-Jährige doch weder in seinem Geburtsland noch in Deutschland, wo er seit 45 Jahren lebt, eine Berühmtheit. Dabei müsste er eine sein, anstatt von Hartz IV zu leben, wäre seine Musik nicht in der Geschichte der Bundesrepublik verloren gegangen.

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Warum das so ist, das kann man nun erstmals auf Albumlänge und neu eingespielt hören: Canani hat in den 70er-Jahren als Erster in türkischen und deutschen Liedern den Alltag und die Realität jener, wie es in seinem Klassiker „Deutsche Freunde“ heißt, „Drecksund Müllarbeiter, Stahlbau- und Bahnarbeiter“ beschrieben, die als sogenannte Gastarbeiter ins Land kamen, dann aber „nicht Maschinen, sondern Menschen“ waren – zur Überraschung der Mehrheitsgesellschaft. Eine Überraschung, die zum Teil bis heute anhält, weswegen Cananis Songs immer noch so aktuell sind wie vor mehr als 40 Jahren, als sie geschrieben wurden.

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Trotzdem sind diese mal poetischen, dann wieder wundervoll ungelenken Lieder, die musikalisch die goldene Mitte zwischen türkischer Folklore und Singer/Songwriter-Strukturen suchen, mehr als bloß historische Dokumente. Damals wurden sie weder von den türkischen Migranten (für die Canani mit seiner Bağlama oft auf Hochzeiten auftrat) noch den Bio-Deutschen (abgesehen von einigen wenigen TV-Auftritten, bei denen Canani als Exot präsentiert wurde) wirklich wahrgenommen. Doch diese Geschichte darf sich nicht wiederholen.

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