1 Euro für die Berliner Szene: So kann jede*r die Kultur unterstützen
ME hat sich mit Alle Farben, Fil Bo Riva, Von Wegen Lisbeth und MiA unterhalten: Wie ging es ihnen in der Krise, warum sie bei einer neuen BVG-Aktion mitmachen – und was die Kultur gerade braucht
Seit über einem Jahr ist die Welt in Konzertpause. Davon betroffen sind Musiker*innen, Veranstalter*innen und Clubbetreiber*innen, aber auch Stagehands, Tontechniker*innen, Backliner, Tour-Crews. Wie kann man helfen? Diese Frage wollen die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) in Berlin mit einer Initiative beantworten, die es allen Berliner*innen möglich macht, die Szene aktiv zu unterstützen. Findet hier alles über das „Kultur-Ticket“.
Das „BVG-Kultur-Ticket“: Licht im Schacht
Die BVG will in Abstimmung mit der Senatsverwaltung für Kultur und Europa die Kunst- und Kulturszene unterstützen. Sie führt deshalb ein „BVG-Kultur-Ticket“ ein: Bis zum 18. Juli können Fahrgäst*innen freiwillig einen Euro mehr für einen AB-Einzelfahrausweis zahlen. Der Extra-Euro geht an Künstler*innen und Kulturbetriebe. Spenden kann man auch ohne Fahrschein: An allen BVG-Automaten oder auf der Kampagnen-Webseite kann man sich mit einer Spende an der Aktion beteiligen.
Die PSD-Bank will die erreichte Spendensumme am Ende der Aktion verdoppeln. Die Gelder sollen vom „Bündnis Freie Szene Berlin“, einem Zusammenschluss von Verbänden und Vereinen der freischaffenden Kunst und Kultur, verteilt werden. Auch radioeins (rbb) unterstützt die Aktion.
Modeselektor, Drangsal, Von Wegen Lisbeth: Prominente Unterstützung
Zur Initiative gibt es eigens gedrehtes Video. Vorab hat MUSIKEXPRESS einige Künstler*innen getroffen und sie zur Aktion und ihrem Status Quo während der Coronakrise befragt.
Den Sound im Initiativen-Video liefert das Berliner DJ-Duo Modeselektor, indem es typische Geräusche der BVG-Transportsysteme mit ihren elektronischen Beats verschmelzen ließen. Außerdem im Film zu sehen: Alle Farben, Barbie Breakout, Chamäleon Theater, Dieter Kosslick, Drangsal, Fil Bo Riva, Flying Steps, Friedrichstadt-Palast, Harald Hauswald, Jim Avignon, Katharina Thalbach, Katharina Wackernagel, Langston Uibel, MIA., Modeselektor, Sero, Lary, Smiley Baldwin und Crew, Stefanie Stappenbeck, Stella Bossi, The Darvish, The Swingin‘ Hermlins und Von Wegen Lisbeth.
„Es muss unser aller Ziel sein, die Kultur zu sichern” – Klaus Lederer
Der Senator für Kultur und Europa, Klaus Lederer, sagt dazu: „Das Ziel, den Berliner*innen Vorfreude und Hoffnung auf die Zeit nach Corona zu machen, teilen wir alle. Dass auch die BVG die Berliner Kultur unterstützt, begrüße ich deshalb sehr. Denn es muss unser aller Ziel sein, die durch die Corona-Pandemie schwer getroffene Kultur Berlins auf großer Breite zu sichern. Die große Lücke, die das Land Berlin durch Senatsunterstützung allein nicht füllen kann und konnte, betrifft die Künstler*innen, die schon vor der Pandemie in prekären, jedenfalls sozial nicht gegen solcherart Ausfälle abgesicherten, Verhältnissen gearbeitet haben.“
Statement von Frans Zimmer aka Alle Farben – „Es ist schön, wenn sich was bewegt”:
„Anfangs war der Lockdown ein Segen. Ich bin seit sechs Jahren immer getourt, für mich war das wie ein Runterkommen. Aber irgendwann ist es hart, weil die ganzen Kolleg*innen hinter den Kulissen aufhören mussten. In meinem engsten Team sind von fünf Leuten nur noch zwei übrig. Die Gespräche mit der Veranstaltungsbranche fingen viel zu spät an. Unsere Branche hat leider auch keine gute Lobby. Im Moment ist es Zeit für Projekte – deshalb bin ich hier und unterstütze das Kultur-Ticket. Es ist schön, wenn sich was bewegt. Jedes Projekt, das die Kultur unterstützt, ist jetzt wichtig.”
Filippo Bonamici aka Fil Bo Riva: „Da geht’s um so viele, die leiden!”
„Da gibt es Menschen, die brauchen jetzt jede Unterstützung. Ich mache mit, weil alle ihre Konzerte absagen mussten. Große Touren bedeuten viele Einnahmen und viele Crewleute. Es geht nicht nur um die Sänger*innen, viel mehr um die, die hinter ihm oder ihr arbeiten. Booker, Lichtleute, Tourmanager. Die leiden am meisten, das ist deren Hauptjob. Ich bin Musiker, ich kann zum Glück noch irgendwie streamen, weiter arbeiten. Aber die im Live-Geschäft brauchen den Alltag, um zu verdienen. Viele machen jetzt eine andere Ausbildung und gehen weg aus der Branche. Man wird viele Leute verlieren, die sehr gut im Job waren. Da gehts mir nicht um einen selbst. Das sollte man bedenken und aktiv unterstützen.”
Von Wegen Lisbeth: „Die unterstützen, die es schwierig hatten”
“Wir sind alle in Berlin groß geworden, sind alle mit den Öffis in die Schule gefahren. In unseren Songtexten taucht sogar der ein oder andere Bahnhof auf – da passt es natürlich, dass wir da mitmachen.” (lachen) „Die Unterstützung für Künstler*innen ist immer eine sehr gute Sache. Politisch gesehen ist es fragwürdig, wie Kultur von Anfang an eingestuft wurde. Da hätte man sich von Anfang an mehr Unterstützung erwartet für die Kulturszene. Umso besser, dass jetzt was passiert. Uns wurde bewusst, wie wichtig es ist, kleine Clubs wertzuschätzen, explizit mal wieder in denen zu spielen, und die zu unterstützen, die es schwieriger hatten in der Zeit. Wir fragen uns: Was hilft denn wirklich, und wo können wir helfen? Und da sind wir dann am Start.”
MiA.: „Wir sind eins, wir gehören alle zusammen”
„Es fühlt sich gut an, da was zu tun. Es ist jetzt unsere Chance, in der Krise zu erkennen: wir sind eins. Wir gehören alle zusammen. Jetzt zeigt sich, wo die Lücken in unserem System sind.
Wir finden gut, dass es jetzt viele Momente gibt, in denen sich Allianzen bilden. Wie heute bei dem Dreh mit der BVG, wo von unerwarteter Seite Support kommt. Menschen fangen jetzt an zu sagen: Wir sehen euch! Und das kommt genau zur richtigen Zeit. Wir alle sehen langsam wieder den Silberstreifen am Horizont. Wir in der Kultur sind die allerersten, die aufhören mussten zu arbeiten und wir werden die letzten sein, die wieder anfangen dürfen. Daher braucht es in der Szene jede Unterstützung.”