Micachu – Jewellery

Wenn es eine Anforderung an das gibt, was wir seit ein paar Ewigkeiten Popmusik nennen, dann folgen wir hier einfach mal einem ihrer erfolgreichsten Vertreter: Sie soll anders klingen, als sie noch vor ein oder zwei Jahren klang, sagte Neil Tennant (Pet Shop Boys) zuletzt in einem Interview. Hört sich vielleicht banal an, erinnert aber daran, dass Pop doch dieses Ding war, dass für den Moment gebaut war, Awopbopaloobopalopbamboom und weg damit. Die 21jähnge Britin Mica Levi hat ihr Awopbopaloobop bereits aufgenommen, jeder soll die neue Popmusik hören jetzt. Sie ist geboren aus den Elementen, die durch unser Leben fliegen – Klingeltöne, Gameboysounds, Geräusche von Laserspielzeug, rappelnde Dosen und verstimmte Gitarren, miteinander verschraubt und verklebt zu Liedern, die man sofort mitpfeifen kann. Die Songs bewegen sich im traditionellen Rahmen (Strophe: ja, Refrain: ja), innerhalb dieses Universums aber stürzen bei Micachu Mauern ein: Haushaltsgegenstände übernehmen kurzzeitig die Melodieführung, während sich im Hintergrund ein Haufen Geräusche zu einem Dröhnen auf; baut, das noch nicht weiß, ob es Punk oder Folk ist. Oder ein Slits-Remix im Stop-And-Go-Betrieb. Wenn diese Lieder kurz den Atem anhalten, kann man eine Küchenmaschine leise singen hören oder Mica Levis Texten lauschen, von denen die Autorin sagt, dass sie Unfug seien. Levi kann über alles singen, nur nicht über Zweiminutendreißig, mehr braucht ein Micachu-Popsong nicht. Ein Teil dieses unglaublichen Debüts ist in Heimarbeit entstanden, und neben Mica Levi, Sängerin, Songwriterin, Instrumentenerfinderin, Soundbastlerin, Remixenn und Fachfrau für den Betrieb von Staubsaugern in der Popmusik waren RaisaKhan (Keyboards), Marc Pell (Drums) und Matthew Herbert (Produzent) an JEWELLERY beteiligt. Bei Mica Levi laufen alle Fäden zusammen, und sobald sie an diesen zu ziehen beginnt, bewegen sich die Teilchen aufeinander zu und stoßen sich wieder ab, geben seltsame Geräusche von sich, beginnen wie wild zu tanzen (besonders beim derangierten Discokeller-Hit „Golden Phone“). JEWELLERY wird uns das Herz aus der Hose treiben und eine Neubewertung des Wörtchens „Ohrensausen“ verlangen. Dieses Album ist auch die große Chance des Britpop: Mica Levi erinnert daran, wie schön und verwirrend dieser Moment sein kann, der seit Ewigkeiten Pop heißt.

www.micachu.com

Story S. 32