Sufjan Stevens – The BQE

Auf CD & DVD: Eine dokumentarisch-fantastische Suite für Orchester und Bildschirme. Großartig. Was macht eigentlich Sufjan Stevens die ganze Zeit? Der hat seinen verspielten historisch-dokumentarischen Ansatz als Songwriter und Komponist (die Alben MICHIGAN und ILLINOIS sind sechs bzw. vier Jahre her) um die Kunstform Film erweitert. „The BQE“, entstanden als Auftragsarbeit der Brooklyn Academy ofMusic und 2007 uraufgeführt, ist aber weniger ein Film mit dazugehörigem Soundtrack als eine Komposition für Kammerorchester, Beatmaschmen (im vierten Satz „Traffic Shock“), Hula-Tänzerinnen und drei Bildschirme. Letztere bilden, ohne Lücke nebeneinandergesetzt, eine Superbreitwand, auf deren drei Teilen Bilder es filmte der Meister persönlich gemixt werden, wie Musik und zur Musik, die kombinatorischen Möglichkeiten dieser Tryptichon-Konstellation zum maximal die Hirnrinde kitzelnden meditativflirrenden Bilderrausch ausreizend. Wir sehen: den Brooklvn-Queens-Expressway, eine 1930 im Fieber der Motorisierung des Kontinents ohne Rücksicht auf Verluste oder Gewachsenes quer durch das alte Brooklyn hinaus in die weniger erschlossenen Boroughs gepflügte, bis heute umstrittene „Schnellstraße, bizarr gewunden, krumm und dreckig, gefährlich, notorisch verstopft. Ein Stück Geschichte des Ölzcitalters und seiner Wiege, der USA. Diese Straße fährt man hinunter und sieht mit den Augen von Stevens (oft mit drei Augenpaaren gleichzeitig), der den präzise und skurril beobachtenden Blick eines Bill Bryson hat, die Schönheit und die Abgründe auf der Straße und am Wegesrand, das ganze Panoptikum des pulsenden, alles verbrennenden westlichen Lebensstils und seiner verrottenden Relikte (auffallend: Stevens zeigt das Gebaute, die Maschinen, die menschgemachte Moderne und die Natur, der sie übergestülpt wurde – der Mensch selbst bleibt nur Ameise in Stevens‘ Wimmelbild- Kaleidoskop). Den Ton, den Sound, den Rhythmus gibt die Musik, die großartige Musik. Kein Gesang, keine Songs, eine Musikdichtung, irgendwo zwischen Gershwin, Herrmann, Glass und Clayderman, mit der sich Stevens als großer (Film)komponist empfiehlt und die mit den Bildern zu einer höheren Einheit verschmilzt. Ja, recht ähnlich wie „Koyaanisqatsi“, aber weniger Message-getrieben, poetischer. Ach ja, und zwischendurch performieren drei bonbonbunte und wohl irgendwie metaphorische Hula-Tänzerinnen, für den extra weird edge. Etwas sehr, sehr Tolles.