Pet Shop Boys

Electric

Die Best-Ager der britischen Popmusik siedeln ELECTRIC nah am Beat an – und liefern damit nicht eine Erweiterung, sondern eher ein Korrektiv zum verregneten Vorgänger.

Es ist noch nicht einmal ein Jahr her, dass Neil Tennant und Chris Lowe mit ELYSIUM eine Platte veröffentlichten, die quasi ein Update des 1990 erschienenen BEHAVIOUR war. Eine eher sentimentale, retrospektive Angelegenheit, die Stimmungen transportierte, aber keine verändern oder gar schaffen wollte und deren Semi-Hit „Winner“ doch etwas hingeschlonzt wirkte, wie eine launige, bittere Pflichterfüllung. Ob von diesen Aufnahmen Material übrig blieb oder ob die beiden nach all der Einkehr doch das Bedürfnis verspürten, Kernkompentenz in Sachen Bumm zu beweisen, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall setzten sie sich noch mal mit Stuart Price zusammen, den sie von ihrer 2009er-Tour kennen, wo er die Live-Arrangements schrieb, der Hörer natürlich von seiner Band Zoot Woman, sehr vielen Pop-Produktionen und noch mehr Remixen. Gemeinsam entwarfen sie ein Album, das sich in Sachen Selbstverständnis irgendwo zwischen INTROSPECTIVE und den Remixalben der DISCO-Reihe ansiedelt. Bedeutet: Der Beat strukturiert, schafft Räume, in denen Pop eher von links nach rechts gewuchtet als verarbeitet wird. Oft wirkt das rastlos, manchmal bemüht – wie beim Skrillex-Halbpastiche „Shouting In The Evening“ –, meistens aber geht es auf, weil eben kein Platz für eventuelle Verzettelungen bleibt. Stattdessen entsteht durchaus referenzieller (IDM, Eurodance, Italo, House und, na ja, eben Dubstep) Dance, der seinen Höhepunkt im bereits bekannten „Axis“ findet und in „Inside A Dream“, einem unerhört smart um eine Bassline gebauten und mit Synthies abgetupften Produzentenmonster. Zwar covert man Bruce Springsteen („The Last To Die“), das durchaus vorhandene eigene Erzähltalent schlägt nur selten durch, eigentlich nur einmal: „Love Is A Bourgeois Concept“ ist Pop in Reinkultur und lässt Tennant zu hübschen Fanfaren und Bummzack-Beat über dieses crazy little thing called love und eventuelle Gegenströmungen (Karl Marx, Tee trinken wie Tony Blair) räsonieren. Dass Form ansonsten stets vor Inhalt geht, ist schade, denn so passgenau Price die Pet Shop Boys hier auch einkleidete: Ein bisschen Seele, ein paar Bruchstellen, ein paar Zweifel, all das hätte schon gutgetan.