The Clash
Sound System
Sony Legacy/Sony Music
(Fast) alles von the „only band that matters“ auf elf CDs und einer DVD im formschönen Ghettoblaster-Design.
Als der komplette Backkatalog von The Clash zum letzten Mal klangtechnisch überarbeitet veröffentlicht wurde, war Tony Blair noch Premierminister im Vereinigten Königreiche und es standen die Twin Towers in New York noch. 1999 war das. Damals war die 1976 von Joe Strummer (voc, g), Mick Jones (g, voc), Paul Simonon (bg, voc) sowie Schlagzeuger Terry „Tory Crimes“ Chimes, der nach einigem Hin und Her Nicky „Topper“ Headon Platz machte, aus der Taufe gehobene Band, schon 13 Jahre Popgeschichte. Es ist also Zeit, um das Vermächtnis der Punk-Pioniere The Clash abermals auf aktuellen Stand zu bringen – unter der Ägide von Mick Jones und Paul Simonon. Eines vorweg: The Clash lediglich auf ihre gewiss nicht unmaßgebliche Rolle als Entwicklungshelfer der Londoner Punk-Revolution von 1977 festzulegen, wäre ebenso unsinnig wie The Beatles auf ihren Status als Pioniere des Mersey-Beat zu reduzieren. Zumal sich der künstlerische Reifegrad von The Clash in den ersten beiden Jahren ihres Bestehens derart potenzierte, dass sich der Abstand zu den in Freundschaft verbundenen Kontrahenten The Sex Pistols in Sachen Stilvielfalt eklatant vergrößerte: Während sich die Sex Pistols Anfang 1978 nach ihren zwar bahnbrechenden, aber unterm Strich wenig variablen vier Singles und dem LP-Meilenstein NEVER MIND THE BOLLOCKS (1977) mit viel Getöse auf einer US-Tournee auflösten, gelang es The Clash, sich nach zwei Alben vom puristischen Punk zu lösen. Ohne die harsch formulierte Sozialkritik über Bord zu werfen.
Das Paket SOUND SYSTEM (elf CDs plus eine DVD) von The Clash kommt in einer todschicken Verpackung in Form eines Ghettoblasters. Dafür und für die vielen Beilagen – Repliken alter sowie einer nagelneuen Ausgabe des Fanzines „The Armagideon Times“, Badges, Stickers, Poster – ist Paul Simonon, ehemals Student der Londoner Byam Shaw School Of Art verantwortlich. Die Box enthält fünf der sechs Albenoriginale, drei Raritäten-CDs, eine Best-of, sowie eine DVD mit Videoclips, Konzertmitschnitten sowie unveröffentlichtem Filmmaterial von Julien Temple und Don Letts.
Bis die Aufnahmen für das Debütalbum THE CLASH ***** im Kasten waren, benötigte das Quartett gerade mal drei Wochenenden im CBS Studio in London. „ Janie Jones“ zollt der gleichnamigen Kultfigur aus dem Londoner Rotlichtmilieu Tribut. „White Riot“ und „London’s Burning“ beschwören Volksaufstände. „Remote Control“ nimmt die Hintergründe um die von der Obrigkeit fast verhinderte Anarchy-Tour der Sex Pistols unter die Lupe. „Police & Thieves“ von Junior Murvin und Lee „Scratch“ Perry spiegelt die Faszination der Band für Reggae wider. Für den Nachfolger GIVE ’EM ENOUGH ROPE ***** engagierten The Clash den Produzenten Sandy Pearlman (Blue Öyster Cult). Er verpasste angriffslustigen, aufrührerischen Songs wie „ Safe European Home“, „English Civil War“ und „Last Gang In Town“ ein wesentlich satteres Klangbild. Auf „Julie’s Been Working For The Drug Squad“ klimpert ein Boogie Woogie Piano. Für „Guns On The Roof“ reanimierten The Clash das Riff von The Whos „I Can’t Explain“ .
Einen künstlerischen Quantensprung schafften The Clash 1979. Mit dem Meilenstein LONDON CALLING ****** – einer Doppel-LP mit 19 Songs – kam der weltweite Durchbruch. „What are we gonna do now?“, fragt Joe Strummer im Intro von „Clampdown“ – die Antwort: Stilvielfalt! Reggae, Ska, Dub, Soul, Rockabilly, Pop und Jazz – das Studio wird zur Spielwiese. Lässig groovt „The Guns Of Brixton“ . Dynamisch rockt das Vince-Taylor-Cover „Brand New Cadillac“. Mick Jones’ „Train In Vain“ klingt wie der Vorbote des einzigen Nummer-1-Hits der Band Jahre später. An den Klangreglern in diversen Studios von Großbritannien bis Jamaika saß Produzent Guy Stevens (u.a. Traffic, Free, Spooky Tooth).
Noch eklektizistischer, aber in Teilen zerfasert geriet 1980 das Dreifach-Album SANDINISTA! *****: Ein Genre-Rundumschlag mit 36 Songs, die die Stilpalette um Gospel, Calypso, Funk und Rap erweiterten. Beeindruckend auch die ellenlange Gästeliste mit u.a. Ellen Foley, Tim Curry, Mikey Dread, Tymon Dogg, Lew Lewis und The Blockheads.
COMBAT ROCK ***** von 1982 wurde wieder als Doppel-LP geplant. Nach anfänglichen Versuchen von Mick Jones übernahm die Endabmischung der Songs des dann als Einzel-LP erschienenen Albums Glyn Johns (The Beatles, Rolling Stones, Who). Wer die andere Hälfte der Songs hören will, muss zum Bootleg greifen. In den USA katapultierte das kompakte Rockalbum The Clash in die Stadien. „This is a public service announcement … with guitars“, brüllt Diplomatensohn und Internatsschüler Strummer zum Auftakt in „Know Your Rights“ dramatisch. „Straight To Hell“ lieferte die Inspiration zum späteren gleichnamigen Chaos-Western. „ Sean Flynn“ erinnert an den im Vietnamkrieg spurlos verschwundenen Fotografen und Sohn von Hollywood-Legende Errol Flynn. Beatpoet Allen Ginsberg raunt im Gespann mit Strummer auf „Ghetto Defendant“ politisch Kontroverses. Sowohl der orientalisch angehauchte Tanzflächenfüller „Rock The Casbah“ als auch das griffig rockende „ Should I Stay Or Should I Go?“ (UK-Nummer-eins erst 1991) wurden zu Klassikern. Statt des ohne Jones und Headon entstandenen finalen Albums CUT THE CRAP findet sich in der Werkschau die CDs EXTRAS 1, 2 & 3 mit 52 zum Teil unveröffentlichten Songs (Singles, B-Seiten, EPs, Outtakes, Demos, Konzertmitschnitte). THE CLASH HITS BACK – THE VERY BEST OF THE CLASH schließlich koppelt auf zwei CDs 32 Studioaufnahmen sowie acht weitere Hits und Fanfavoriten.