Beck
Morning Phase
Caroline/Universal (VÖ: 28.2.)
Mehr Klangidee als komplettes Songwriteralbum: Unser großer Popfreund aus den 90er-Jahren findet im Orchester-Sound Balsam für seine Seele.
Es war ja etwas unübersichtlich geworden bei Beck. Gerüchten über gleich zwei neue Alben folgten die Tagesmenüs aus seinem Record Club und Übernacht-Veröffentlichungen von Songs auf 12-Inches. Einer davon trug den Namen „Gimme“ und legte Zeugnis von einer neu gefundenen Souveränität auf hohem Niveau ab, ein enigmatisches Stück Singer/Songwritermusik, das in zweieinhalb Minuten den funky Psychedelic Pop der ODELAY-Ära auf einer Xylofon-Wolke in die heiligen Hallen des Afro-Beat schickte. Beck at his best.
Jetzt endlich ist MORNING PHASE da, sechs Jahre nach MODERN GUILT und zwölf Monate nach dem SONG-READER-Projekt, einer gegen den Strich der Zeit gebürsteten Partituren-Sammlung mit Anmoderation, besser: einem Fürsorge-Programm für die Rettung der Hausmusik. MORNING PHASE verweist nun zu gleichen Teilen auf die Phase nach dem 2002er-Album SEA CHANGES (mit den Aufnahmen von „Blackbird Chain“, „Country Down“ und „Waking Light“ begann Beck bereits 2005) und eine Spurensuche im California-Sound der späten 60er-Jahre, die Beck in Interviews ankündigte.
„Eine größere Idee davon, was diesen Klang ausmacht“, will er bei den Byrds, Crosby, Stills & Nash, Gram Parsons und Neil Young gefunden haben. Die Ansage verspricht viel, aus den im Kopf des Künstlers herumfliegenden Klangideen wird aber kein komplettes Songwriteralbum, eher eine Sammlung von Stimmungsbildern mit Tendenz zum Verschlafen-Cinemascopischen. Die 39 Sekunden von „Cycle“ zu Beginn geben den Ton vor: ein hochelegantes Streicherintro, dem dann doch kein hocheleganter Scott-Walker-Song folgt. „Morning“, die streichzarte Ballade aus den Echoräumen der Nostalgie, schwebt noch im soften Klingklang, mit „Heart Is The Drum“, flankiert von Akustik- und Steel-Gitarren, wirft die Musik den Morgentau ab.
„Say Goodbye“ und „Blue Moon“ sind als Beck-Songs identifizierbar, der Sänger findet in den Melodien Balsam für den Tag, nach einer Nacht, die noch voller Worte war, die um ein „Goodbye“ zirkulierten. „Blackbird Chain“ besitzt dieses Glückströpfchen von einem Pophit, mit dem beruhigenden Sixties-Twang, dem Beck einen besonders ausgeruhten Bariton draufpackt. Sehr gediegen, sehr stilsicher. Schulnote „gut“: Gemessen an den Möglichkeiten des Songautoren aber nicht gut genug.
Und wenn Beck zitieren und kultivieren und immer wieder erinnern will, dann erinnert er eben auch an das, was nicht mehr ist: die von Abenteuerlust befeuerten Stunden, in denen sein HipHop-Blues im Homerecording-Outfit den Pop zu erneuern wusste. Diese Seite könnte dann im zweiten neuen Album aufscheinen, das erst einmal für später in diesem Jahr angekündigt ist … erst einmal.