von Stefanie de Velasco :: Eigentlich sollten wir noch Kinder sein -ein Roman über Berliner Teenagermädchen Nein, in dem Debütroman der 1978 geborenen Autorin Stefanie de Velasco geht es nicht um das erste Album von Belle &Sebastian, das TIGERMILK hieß. Die titelgebende Tigermilch wird im Müllermilchbecher zusammengemischt aus Schulmilch, Maracujasaft und Mariacron, es ist das Lieblingsgetränk von Nini und Jameelah, zwei 14-jährigen Mädchen aus einer Westberliner Siedlung, die sich manchmal schon sehr erwachsen fühlen. „Tigermilch“ wird erzählt aus der Sicht von Nini, und es ist sensationell, wie einen diese Stimme überzeugt, auch wenn man schon eine ganze Weile nicht mehr 14 ist und nie ein Mädchen war. Nini und Jameelah versuchen alles „cool und pomade“ anzugehen und bemerken, wenn jemand „einen an der Falafel“ hat. Die Mädchen spielen Sprachspiele, naschen Yum-Yum und Drogen, und geraten plötzlich in Dramen, die mit der ersten Liebe nichts mehr zu tun haben. Mag der Plot auch ganz gelegentlich ins aufdringlich jugendbuchhafte Problemabarbeiten verfallen, so holt einen diese Erzählstimme immer wieder zurück in diesen fiebrigen Zustand der permanenten Ungewissheit, der das Teenagerleben ausmacht. Toll.

Felix Bayer

DIE WAHRHEIT ÜBER DEN FALL HARRY QUEBERT

von Joël Dicker

Schmöker über Schriftstellerei, verbotene Liebe und fast vergessene Mordfälle Joël Dicker wurde mit knapp 30 Jahren die Sensation des französischen Literaturherbstes 2012. Und zwar mit einem Roman über den 28-jährigen Autor Marcus Goldman, der mit seinem Debüt zum Star der New Yorker Literaturszene wurde – bei der Arbeit an einem Nachfolgebuch aber von einer Schreibhemmung befallen wird. Er wendet sich an den Literaturprofessor Harry Quebert, der selbst 1975 mit einem Roman schlagartig berühmt wurde. Bald kommt heraus, dass Queberts Buch verschlüsselt von der verbotenen Liebe zu einer 15-Jährigen handelte, die ermordet zu haben dem Professor 33 Jahre später vorgeworfen wird. Goldman beschließt, Nachforschungen anzustellen und darüber ein Buch zu schreiben. Dickers Milieubeschreibungen erinnern an John Irving, die moralischen Verwicklungen an Philip Roth, die ausschweifende und zugleich süffige Erzählweise an Jonathan Franzen – und doch ist „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ vor allen Dingen ein Kriminalroman. Die Buch-im-Buch-Metaideen sind hübsch – vielleicht heischen sie zu sehr um Anerkennung über die Genregrenzen hinaus.