Talking To Turtles
Split
Devil Duck/Indigo
Auf dem dritten Album des deutschen Indie-Folk-Duos ist nicht alles so idyllisch, wie es zunächst wirkt.
Auf einer dunklen Straße beugen sich Claudia Göhler und Florian Sievers über einen regungslos auf dem Boden liegenden Körper. Sie durchsuchen ihn, finden etwas, das wie ein leuchtender Ball aussieht. Dann setzen sie sich wieder ins Auto und fahren durch die Nacht. Unheimlich ist das Video zur Leadsingle „Passenger Seat“, die Musik dabei jedoch so heimelig, dass man sie sich als Untermalung fürs Weihnachtsbaum-Aufbauen vormerken möchte.
Das in Leipzig ansässige Duo Talking To Turtles spielt mit Kontrasten. Ihre erste EP nahmen Sievers und Göhler 2008 in einem WG-Zimmer auf, das Album Oh, The Good Life entstand vor drei Jahren im Avast!-Recording-Co.-Studio in Seattle, wo auch Death Cab For Cutie und The Shins schon Platten eingespielt haben. Split vereint nun beide Welten: die Intimität des WG-Zimmers und die Sound-Qualität des Studios.
Aufgenommen mit „Sir Simon“ Frontzek in Berlin, erinnert die neue Platte an den karg arrangierten Folk von José González oder Jason Molina. Immer wieder weichen ohnehin schon spärlich eingesetzte Begleitinstrumente – ein Pianoklecks hier, ein sanfter Beat dort – zurück, um Platz zu schaffen für Sievers. Der zupft dann allein auf der Gitarre vor sich hin und singt dazu mit kehliger Stimme.
Eingelullt vom schönen Klang überhört man fast, wie sich im Text zu „Shoelaces“ Schnürsenkel um Hälse wickeln: „No one ever looked back to see the laces tied around your neck“. Es brodelt unter der stillen Oberfläche. Leider merkt das nur, wer dem Album volle Aufmerksamkeit schenkt. Die Turtles könnten ihre dunkle Seite ruhig noch mehr nach außen kehren. „Hit me, don’t swipe me, with an honest punch“, singen sie im Song „Safetyville“. Schön, aber beim nächsten Mal bitte etwas mehr Punch.