Oasis
Dig Out Your Soul
Big Brother / Indigo VÖ: 4.10.2008
Keine Angst, in diesem Text lauert (außer aus illustrativem Grund hier) nirgendwo der Satz „Oasis haben zu alter Form zurückgefunden“. Wäre auch falsch. Vielmehr haben sie zu neuer, besserer Form gefunden. Oasis haben den Sprung gemacht, der ihnen zuletzt noch zu anstrengend war. Im übergeordneten Groove-Konzept fanden sie ihre Befreiung. Krautrock statt Britpop, Sportzigarette statt Lagerbier. Die Gitarrenwände halten sich hinter dem gewaltigen Zusammenspiel von Schlagzeug und Bass zurück. Die Zeit der Selbstkopien ist vorüber. Geistiger Einbruch in fremde Häuser übt allerdings weiterhin seinen Reiz aus. Wobei aufgekochte Ideen Tommy Tuckers, der Pretty Things, der Stone Roses, der späten Beatles (klar) und mit etwas Fantasie sogar der Pointer Sisters ohnehin mehr munden als ein zum vierten Mal wiedergekäutes und ausgekotztes „Don’t Look Back In Anger“. Das Hauptproblem von Oasis’ letzten zehn Jahren war aber ohnehin nicht das Schuldig- bleiben eines weiteren Stadionchorals, sondern diese tödliche Mischung aus Faulheit und Verblendung, die sie ihre eigenen Möglichkeiten nicht mehr erkennen ließ. Nun gehen Oasis wieder an ihre Grenzen.Aber nicht nur den Drang, unbedingt mehr als nur genügend Material für eine neue Platte zusammenstellen zu wollen, hört man den Songs an. Da ist auch dieser Ehrgeiz, vergangene Fehler auszubügeln, die Geduld der Fans zu belohnen: So gelang mit dem wuchtigen „Bag It Up“ das einst für BE HERE NOW angestrebte Klangdesign, „Falling Down“ wirkt psychoaktiver als das komplette STANDING ON THE SHOULDER OF GIANTS, „The Shock Of The Lightning“ zeigt dem so verkrampften HEATHEN CHEMISTRY, wie Rückbesinnung funktioniert und mit „I’m Outta Time” macht Liam seine ideenlose Flopserie auf DON’T BELIEVE THE TRUTH wieder wett. Sie müssen nur wollen. Viele Fans konnten Noels Entscheidung, seine Songwriting-Diktatur aufzuheben, nie nachvollziehen. Nachvollziehbar: Liams guten Momenten haftete stets etwas Zufälliges an, den Stücken der ewigen Neuen Andy Bell und Gem Archer blies immer der Geist von Auftragsarbeit eiskalt in den Nacken. Doch hier sind die Songs der Bandmitglieder, die nicht Noel heißen, nur durch einen Blick auf die Credits als solche identifizierbar. Einzige Ausnahme: Liams stumpfe Aufarbeitung seiner schneidezahnfeindlichen Münchner Hotel-Prügelei „Ain’t Got Nothin’“ – Demokratie hat eben auch ihre Schwächen.
Stephan Rehm – 10.11.2008
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