Glasvegas

Euphoric /// Heartbreak \

Columbia / Sony Music

Wer hat denn den Flood bestellt? Ein in pathetischen Rockpop gegossenes Missverständnis mit anschließender Seebestattung.

Dass diese vier Schotten bei allen sehr ernst­haften Liedtexterambitionen keine Meisterschüler Bob Dylans sind und wohl auch keinen Song mehr komponieren werden, der als Instantklassiker tausendfach auf YouTube gecovert wird, das war eigentlich schon klar, als wir zum ersten Mal ihre Hymne „Daddy’s Gone“ in unseren Himmel fahren ließen. Zu Glasvegas gehören ihr bombastischer Sound wie ihr Pathos, ihre Stilsicherheit und -sturheit und vor allem diese ganze verdammte Inbrunst mindestens genau so wie ihre Songs.

Das Gesamtbild von den traurigen jungen Menschen in wetterfestem Schwarz, die aufrecht wie der junge Billy Bragg gegen Sturm und Unbill ansingen, war das, was wir liebten. Vor zwei Jahren. Aber vielleicht war das der Band selbst so nicht klar. Oder sie konnten sich einfach nicht durchsetzen gegen ihren neuen Produzenten, den alten Hasen Flood, seit Anfang der 80er-Jahre am Mischpult zugange für Acts wie U2, Depeche Mode und Nick Cave. Flood hat auf jeden Fall so überhaupt nicht verstanden, was den Reiz seiner Mandanten ausmacht. Er rückt die Band auf ihrem zweiten Album zurecht, positioniert sie an einer übergeordneten Stelle, von wo aus sie die Kräfte beherrschen soll, denen sie auf dem Debütalbum noch ausgesetzt war. Obwohl der Sound alles andere als aufgeräumt klingt, eher ist hier noch mehr Schwall und Donnerhall, schiebt der ordnende Geist alles an seinen Platz, schafft Struktur, verteilt Funktionen – ja, er produziert eben, wie er es gelernt hat. Wo ihm das besonders gut gelingt, wie bei der geleckten und zu beinahe grotesker Größe aufgeblasenen Ballade Whatever Hurts You Through The Night, macht er damit alles kaputt, was einen an Glasvegas berauscht.

Mit einer dadurch erzeugten ziemlich gruseligen Erinnerung an Drafi Deutschers „Guardian Angel“ im Rücken rettet sich der Hörer dann vielleicht noch zu dem einen oder anderen erhabenen Moment, in dem Glas­vegas die Klippen des Kitsches ansehnlich knapp umschiffen. Doch von Euphorie oder Herzsprung keine Spur. Und tatsächlich von keinem einzigen Song, den man zu sich hochziehen möchte, bevor die Flut alles verschlingt.