Anohni & The Johnsons
MY BACK WAS A BRIDGE FOR YOU TO CROSS
Rough Trade/Beggars/Indigo (VÖ: 7.7.)
Rückkehr der Johnsons: Soul, der von Menschlichkeit, Hoffnung und Liebe erzählt.
„What’s Going On?“ – Marvin Gayes Frage, gestellt erstmals 1971, besitzt auch 52 Jahre später noch eine enorme Bedeutung. Vor wenigen Wochen widmete sich Christine & The Queens auf einigen Stücken ihres neuen Albums dem Geist von Gayes zeitloser Platte. Jetzt bezieht sich auch Anohni darauf – und zwar lyrisch und musikalisch. Auf ihrem letzten Album HOPELESSNESS trat Anohni ohne die Johnsons auf und bot Art- und Electro-Pop, der häufig genug bedrohlich dröhnte – das war eine Panik- und Paranoia-Platte. Die Sorgen sind geblieben, doch zusammen mit den komplett neu besetzten Johnsons lässt Anohni sie nun anders erklingen. Das Cover zeigt Marsha P. Johnson, Drag Queen, in den 60er-Jahren zentrale Aktivistin der queeren US-Szene und Namensgeberin der Johnsons.
AmazonWichtiger Protagonist der Platte ist der Londoner Produzent und Gitarrist Jimmy Hogarth, ein Soul-Fan, der für Amy Winehouse, Tina Turner oder The 1975 tätig war. Seine Gitarre prägt das erste Stück „It Must Change“. Anohni entwickelte den Song auf seinem wundervollen Soul-Motiv, angetrieben von purer Intuition, nur ein einziges Mal habe sie das Stück gesungen, dann sei es fertig gewesen. Beim folgenden „Go Ahead“ bricht kurz der Kunstanspruch durch, die Gitarre lärmt, Anohni wettert 90 Sekunden gegen eine zerstörerische Person.
Dann kehrt die Eleganz zurück: Das Liebeslied „Sliver Of Ice“ erinnert an die großen Soul-Americana-Momente von Lambchop, „Can’t“ klingt beschwingt, „Rest“ ist eine große Ballade, „There Wasn’t Enough“ nimmt den Chamber-Folk der frühen Johnsons-Alben auf, die Anohni noch als Antony aufgenommen hat. Es geht auf MY BACK WAS A BRIDGE FOR YOU TO CROSS auch um das Ende der Menschlichkeit, der Menschheit. Vor allem aber geht es um die Hoffnung auf eine Veränderung in letzter Minute – und um das Vertrauen auf die Liebe.