Being Dead im Interview: Die normalen Menschen
Being Dead haben elf von zehn Schrauben locker. Wir sprachen ausgiebig mit der Band aus Texas.
„Wir kennen uns seit den 50er-Jahren. Wir arbeiteten damals als Fischer und trafen uns an der Küste von Alaska“, erzählt Falcon Bitch. „Wir sind dann viel jünger geworden.“ Sie verzieht keine Miene. Bandkollege Gumball sei ihr damals aufgefallen, „er hatte einen Angelhaken im Ohr“. Das alles ist natürlich Quatsch. Aber Quatsch ist essentieller Bestandteil der Band Being Dead, die Falcon Bitch zusammen mit ihrem besten Freund Gumball gegründet hat. Beide sind Mitte bis Ende zwanzig, beide wollen in Punk-Manier nicht mit bürgerlichen Namen vorgestellt werden, beide singen und wechseln sich mit Schlagzeug und Gitarre ab. Den Bass spielt ihre enge Freundin Ricky Moto.
„Wenn wir Texte schreiben, versuchen wir die meiste Zeit, uns zum Lachen zu bringen“
Auf dem Debütalbum präsentiert das Trio zum Teil ältere Songs und eine verspielte Melange aus Garage, Surf- und Indie-Rock mit oft absurden Texten. Die erinnern an den Humor junger Bands wie Wet Leg. „Wenn wir Texte schreiben, versuchen wir die meiste Zeit, uns zum Lachen zu bringen“, so Gumball. „Muriel’s Big Day Off“, ein Song mit jazzigem Zwischenspiel, ist dafür ein gutes Beispiel. Es geht um eine treue Freundin, die sich nie mit anderen vergleicht, nichts von Konventionen hält und spontan in einem Schuhgeschäft klaut. Im darauffolgenden Song singen die beiden Beatles-Fans aber auch wieder fromm über Gott und ihre Bibellektüre. Herrlich grotesk ist auch ihr kindlich vorgetragenes Band-Manifest „We Are Being Dead“. „Der Bandname klingt nach Metal und Hardcore, was wir gar nicht sind. Wir wollten uns auf der Bühne möglichst niedlich vorstellen. Ursprünglich sollte der Song gar nicht auf das Album“, sagt Falcon Bitch. „Ich bin neugierig, wie sich der Titel ins Deutsche übersetzen lässt.“ Das Finale ist „Oklahoma Nova Scotia“, ein Demo mit halligen 60er-Vibes. „Es ist Eskapismus, ein lustiges Abenteuer, das beste Freunde an einem Nonsense-Ort in einer Nonsense-Welt erleben.“
WHEN HORSES WOULD RUN gestaltet sich oft albern. Aber es gibt Ausnahmen: „Last Living Buffalo“ erzählt von einem einsamen Büffel, dem letzten seiner Art. Wieder das Thema Tod. Es ist ein surrealer Song über Angst vor Einsamkeit und der diffusen Furcht, lebendig gehäutet zu werden. Geht es um Artensterben oder darum, dass Menschen barbarisch und böse sein können? Manche Songs evozieren jedenfalls eine unheimliche Atmosphäre. Der Shoegaze-Song „Livin’ Easy“ wirkt sogar ironiefrei und überraschend melancholisch. „Es dreht sich darum, eine Königin zu sein, aber keine Anerkennung zu finden. Und darum, sich einen eigenen Gott auszusuchen oder sich zu entscheiden, sein eigener Gott sein zu können.“
Stichwort Selbstermächtigung, Being Dead machen eben „Outsider music“. Outsider gibt es natürlich nicht nur im republikanischen Texas. Das Album beginnt zwar mit Western-Riffs, auch Pferde tauchen auf, aber die Songs könnten in jedem amerikanischen Vorort spielen. „Ich mag Austin in vielerlei Hinsicht. Aber politisch ist Texas nicht mein Ding.“ Falcon Bitch klingt jetzt überraschend ernst. „Ich fühle mich persönlich hier nicht sehr verbunden. Lange sehe ich mich hier nicht mehr.“ Konkreter wird sie nicht. Aber wenn man sich die radikalen Seiten von Texas anschaut, die Trans-Feindlichkeit oder laxen Waffengesetze, wird eines klar: Die eigentlichen Freaks, das sind die anderen. BEING DEAD sind hingegen ganz normale Menschen. Wirklich jetzt.
Being Deads Album WHEN HORSES WOULD RUN erschien am 14. Juli 2023 – hört hier rein: