Marika Hackman
BIG SIGH
Chrysalis/Cargo (VÖ: 12.1.)
Die Singer/Songwriterin atmet auf, um zu merken, dass die Probleme danach nicht verschwunden sind. Die Folge: Paranoia-Pop für die sinnlose Suche nach Erlösung.
Bloß kein Koffein! Vielleicht ein Glas Wein, besser Kräutertee. Und unbedingt vom Spaß fernhalten! Marika Hackman hat der Protagonistin des Songs „No Cafeine“ eine To-Do-Liste an die Hand gegeben, um das zu verhindern, was man im Video zum Song sieht: sich eine blutende Nase zu holen. Aber die Strategie geht nicht auf, die Protagonistin wird auf dem falschen Fuß erwischt: „And now we’re doing it all the time / We only have the night.“
AmazonDie Britin Marika Hackman ist eine Meisterin solcher Überlebenslieder, und BIG SIGH ist ihre beste Platte, weil der Leidensdruck zunimmt. Was auch an ihr selbst liegt: Nach dem Sex-macht-Spaß-Album ANY HUMAN FRIEND von 2019 gingen ihr die Ideen aus, eine Coverplatte überbrückte die Zeit. Als die Inspiration zurückkehrte, folgte der große Seufzer.
BIG SIGH ist ein No-Bullshit-Singer/Songwriter-Großwerk
Wobei auf jede gelöste Blockade die Angst vor einer neuen folgt, und genau diese ambivalente Stimmung prägt dieses Album. Hackman besitzt einen trockenen Humor, es kommt aber auch vor, dass das Lächeln über ihre Direktheit kurz aussetzt, weil man ehrlich berührt ist. „Mum says I’m a waste of skin / A sack of shit and oxygen“, singt sie zu Beginn von „Vitamins“, einer tief in der Magengrube verankerten Ballade mit Justin-Vernon-artigen Modern-Pop-Tricks.
Der Text nimmt es mit der Qualität von Sufan Stevens Familienaufstellungsalbum CARRIE AND LOWELL auf. Hackman lässt den vulgären Song „Slime“ folgen: „Fingers pulling triggers“, es ist offen, ob Sex hier eine Erlösung oder eine Ersatzhandlung ist: „So show me round your garden of slime / And I’ll show you mine.“ BIG SIGH ist ein No-Bullshit-Singer/Songwriter-Großwerk.