Beyoncé
COWBOY CARTER
Parkwood Entertainment/Columbia/Sony (VÖ: 29.3.)
Beyoncé does Nashville: Im Sequel zu Renaissance geht’s aus dem Club zum Country-Hoedown.
Eigentlich kann Beyoncé ja seit Jahren schon alles machen, was sie nur will, und die Welt frisst ihr aus den Händen, wir natürlich auch. Die aber immer noch sehr konservative Countrywelt von Nashville aber anscheinend eben nicht. Zumindest gehört das zur Entstehungsgeschichte von COWBOY CARTER, wie sie auf Instagram schrieb: Vor einigen Jahren habe sie die Erfahrung gemacht, nicht willkommen zu sein und ihr sei das sehr explizit klargemacht worden.
AmazonMan muss nicht allzu tief buddeln, um darauf zu kommen, dass damit wahrscheinlich ihr Ausflug 2016 in den Country gemeint ist, wo sie zusammen mit den Chicks, eine andere Band, die weiß wie es sich anfühlt, in dieser Welt für einen Außenseiter gehalten zu werden, bei den Country Music Awards performte. Statt sich aber ganz vom Country abzuwenden, sei sie in die Geschichte des Genres eingetaucht. Das Ergebnis: COWBOY CARTER.
Beyoncé schafft auch ein lebendiges Archiv
Wie schon „Renaissance“ dient das Album auch als Geschichtsstunde – und wenn’s nur eine Erinnerung daran ist, dass Country von afroamerikanischer Kultur, Harmonien und Narrativen durchzogen ist, auch wenn das Country-Establishment dies lange ignorierte. Aber Beyoncé schafft auch ein lebendiges Archiv: „Blackbiird“, gleich der zweite Track nach dem Intro „American Requiem“, ist eine Kollaboration mit vier jungen Schwarzen Countrysängerinnen, Tanner Adell, Brittney Spencer, Tiera Kennedy und Reyna Roberts, später kommen Features mit der ikonischen Linda Martell („Spaghetii“, die erste Schwarze Countrykünstlerin, die jemals im Countrytempel Grand Ole Opry auftrat, dazu, aber auch mit dem jungen Countryinnovator Willie Jones („Just For Fun“) und Shaboozey, der Americana mit Hiphop verbindet („Spaghettii“, „Sweet * Honey * Buckiin“).
Dazwischen hören wir Radiodurchsagen von Willie Nelson und Linda Martell und eine Sprachnachricht von Dolly Parton, die ihr „Jolene“ mit Beyoncés „Lemonade“ vergleicht (woraufhin Beyoncé eine updated Version von „Jolene“ bringt, na klar – ihre betrogene Sprecherfigur allerdings bittet und bettelt nicht, sondern droht – was der ganzen Sache etwas von der Emotionalität nimmt). Als wäre das aber auch nicht genug, dürfen auch Miley Cyrus („II Most Wanted“) und Post Malone, der sich selbst gerade im Country ausprobiert, mitspielen – wobei sich die Frage stellt, wie viel Geld Levi’s gezahlt hat, um im Posty-Feature „Levii’s Jeans“ gefeatured zu werden. Aber das ist vielleicht eine andere Diskussion.
Mit 27 Songs reiht sich COWBOY CARTER in den Trend zu extrem langen Alben ein, wie es etwa gerade auch Justin Timberlake vorgemacht hat. Zwar findet sich bei Beyoncé im Gegensatz zu JT kaum Füllmaterial und sie weiß auch gut mit Überraschungen wie Samples und Covern (Beachboys! Nancy Sinatra!) zu spielen, aber ein paar Songs weniger hätten’s auch getan. Doch über die fast dreißig Songs zeigen Beyoncé und ihr Team die Vielfalt von Country und den Möglichkeiten auf, die das doch oft sehr verschlossene Genre eigentlich bieten kann – und bieten eine Alternative zum innovationsresistenten Mainstreamcountry. Der Person hinter der perfekten Kunstfigur Beyoncé kommen wir auf diesem achten Album aber auch nicht näher, auch nach einer Stunde und achtzehn Minuten nicht. Aber vielleicht haben wir das nach über zwanzig Jahren Beyoncé solo gelernt: Wir müssen es auch gar nicht.
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