Bis der Rücken schmerzt: Der Rucksack ist aus den Neunzigern auferstanden
Früher war er modischer Bestandteil unserer Jugend, zwischendrin war er nur praktisch und heute geht es bei ihm nur noch um die Marke. Jan Schmechtig über ein Accessoire, das sich zwischendrin rar machte, aber nie ganz verschwinden wird.
Ein Skelett im Wüstensand. Nichts mehr vom Menschen übrig außer seiner Knochen – und ein Rucksack. So kennen wir die Eastpak-Werbung aus den Neunzigern. Längst steht der Mensch sinnbildlich für Trends, die schon längst tot und vergangen sind und der Rucksack für das Accessoire, dem Körper und Trends im Grunde egal sind. Er war immer da, wenn auch mit unterschiedlichen Bedeutungen.
Den ersten modischen Rucksackmoment, an den sich sicher viele erinnern, gab es in den Neunzigern. Vielleicht lag es an der bereits erwähnten Werbung oder der Vorliebe für Synthetisches (Drogen, Kleidung). Jedenfalls durfte es nicht irgendein Rucksack sein. Besonders in den Farben Schwarz, Grau, Dunkelblau oder Waldgrün war er auf aller Rücken. Es gab ihn wahlweise mit Lederdetail, aber vor allem mit ganz vielen Bändchen, je mehr desto besser. Regelrechte Dramen spielten sich um verlorene oder, noch schlimmer, geklaute Bändchen in Klassenzimmern ab. Der praktische beziehungsweise gesundheitliche Aspekt war eher Nebensache, denn dieser wurde insofern außer Kraft gesetzt, als dass man den Rucksack so tief trug, dass man fast drauftrat. Die Eltern haben es gehasst, wir haben es geliebt.
Als irgendwann die Rucksack-Generation der Neunziger anfing zu studieren, entdeckte sie die Messenger-Bag. Die gab es zwar auch von besagter US-Marke, aber man verband eben Jugend und Schule damit – und irgendwann musste man ja mal erwachsen werden. Und so trat zumindest in puncto Tasche eine gewisse Reifheit ein. Der Rucksack verschwand wieder zwischen den „North Face“-Jacken in den Regalen des Outdoor-Fachhandels und auf den Rücken von Fahrradkurieren. Damit war er eine Zeit lang alles andere als angesagt.
Dann kam ein anderer Einschnitt: Ein kleiner schwedischer Fuchs mit rotem Schriftzug sorgte dafür, dass auf einmal jeder noch so anscheinend erwachsene Mensch Rucksack trug. Ob die Hipster vorher da waren oder nicht, ist schwer nachzuvollziehen, aber natürlich folgten auch diese dem Ruf des Fjällräven-Fuchses. Mittlerweile ist der ursprüngliche Schulrucksack aus dem Straßenbild nicht mehr wegzudenken. Und auch Marken wie das kanadische Label Herschel sorgten dafür, dass der Rucksack mittlerweile wieder auf aller Rücken ist.
Natürlich wollen auch die Luxusmarken eine Scheibe davon abhaben und so werden die Formen der günstigeren Modelle meist einfach adaptiert und in Leder, mit Nieten, Prints und so weiter versehen. Zuletzt sorgte CHANEL mit ihrem Graffiti-Rucksack für eine ganze Welle an (gut betuchten) Rucksackbegeisterten.
Natürlich ist er auch gerade in der Designerversion alles andere als praktisch, weil empfindlich. Und überhaupt bleibt noch immer die Frage: Warum eigentlich Rucksack tragen? Vielleicht hätte man den Mann in der Wüste vorher mal fragen sollen.
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Jan Schmechtig bloggt unter Horstson.de über Männermode und Musik – und in loser Regelmäßigkeit auf musikexpress.de.