Young Fathers
White Men Are Black Man Too
Big Dada/Ninja Tune/Rough Trade 3.04.2015
„File under Rock and Pop“ steht auf dem Sticker. Doch HipHop bleibt die Basis dieser sensationellen Mischpoke.
Young Fathers möchten nichts und niemand sein. Das zeigten die Interviews, die sie gaben, als sie 2014 als Nachfolger von Alt-J für das Album DEAD den Mercury Prize gewannen, einen der sehr wenigen Musikpreise weltweit, die nach künstlerischen Gesichtspunkten verliehen werden. Die drei Männer mit Wohnsitz Edinburgh bedankten sich danach nicht brav. Sie bedankten sich ratlos. Denn was fängt man jetzt mit diesem Preis an? Berühmt werden? Gott bewahre, Young Fathers sind Underdogs.
Also verzogen sie sich zunächst einmal nach Berlin, wo man sich als internationaler Künstler heute ganz wunderbar in Luft auflösen kann. In einem zugigen Keller entstanden erste Ideen für neue Tracks. Dann ging es zurück nach Edinburgh, um dort weiter am nächsten Album zu arbeiten, das dann sehr schnell fertig wurde. Schließlich ist Unmittelbarkeit eine Kernidee dieses Trios. Und dann dieser Albumtitel! WHITE MEN ARE BLACK MEN TOO. „It’s got issues of race and so what?“, kommentiert ein Bandmitglied im E-Mail-Wechsel zur Titeldiskussion, den die drei öffentlich gemacht haben, um zu zeigen, dass es sich hier nicht um eine leichtfertige Provokation handelt.
Young Fathers (zwei Schwarze, ein Weißer) möchten, dass man über dieses sehr offene Statement nachdenkt und debattiert. Die Diskussion soll beginnen, nicht ändern. Und die multikulturell geprägten Schotten Alloysious Massaquoi, Kayus Bankole und „G“ Hastings spielen dazu eine Musik, die es dermaßen in sich hat, dass jeder, der Ohren hat und seinen Verstand benutzen mag, in ein Einflussgewitter gerät, dessen Blitze und Donner die Synapsen verrutschen lassen: Was war noch mal Rock’n’Roll? Pop? Soul? HipHop? Wer sich von TV On The Radio nach dem Übersong „Wolf Like Me“ etwas anderes versprochen hat als die polierte Popmusik der letzten Alben, hat nun Young Fathers.
Wie so viele gute Bands in diesen Tagen nutzt das Trio den HipHop als bestmögliche Basis für seine Trips. Die besten Songs auf WHITE MEN ARE BLACK MEN TOO, wie „Shame“ oder „Liberated“, klingen wie Garagen-Versionen von Motown-Singles aus der Zeit, als der Soul aus „Hitsville USA“ in Sachen Tempo und Schmiss den Rock’n’Roll links überholte. Was diese Stücke auch eint: Es gibt Klänge zu hören, die an Krautrock erinnern, an die avantgardistischen Klangspiele von Faust zum Beispiel. „Rain Or Shine“ baut zudem auf die stoische Rhythmik der kosmischen Musik, der Song marschiert gut zwei Minuten lang vor sich hin, ehe die Jungs plötzlich die Melodien weiterentwickeln, damit eine neue Dynamik erzeugen und das Ding zum Hit machen.
Am Schluss spielen „Dare Me“ und „Get Started“ mit der individuellen Leidensmusik R’n’B, doch während The Weeknd oder How To Dress Well diesen Stil so lange digital filtern, bis es plötzlich cool wirkt, pressen Young Fathers die Gesten des Genres analog zusammen, sodass sie sich am Ende mit einem verstimmten Pop-Piano kombinieren lassen. So aufregend und anregend klingt derzeit nichts und niemand.