Flammenwerfer

Rachel Kushner

VÖ: 6.03.2015

Was eine italienische Industrie-Dynastie und eine motorradfahrende US-Künstlerin vereint

Es ist ein Kennzeichen vieler großer Romane, dass es ihnen gelingt, in gleich mehrere Welten einzutauchen und den Leser so von einer in die nächste zu führen, dass ihm die Wechsel einleuchtend erscheinen. Der amerikanischen Schriftstellerin Rachel Kushner ist ein solcher Roman gelungen. Ein Roman, der den italienischen Futurismus zum Thema hat und Landgeschwindigkeitsrekorde. Ein Roman, der von China Girls (Frauengesichter, die für Farb-Testbilder in Kinofilmen verwendet werden) genauso erzählt, wie vom bewaffneten Kampf der Roten Brigaden. Ein Roman, der im New York der späten Siebziger so sehr zu Hause ist wie im Alexandria der Zwanziger. Und das alles vermittelt durch ein ungleiches Liebespaar.

Die Ich-Erzählerin, die den größten Teil der Geschichte in „Flammenwerfer“ erzählt, ist eine junge Künstlerin, die mit dem Namen ihrer Heimatstadt Reno gerufen wird – zumindest von den Leuten, die sie in New York kennenlernt. Unter ihnen ist bald Sandro Valera: ein etablierter Künstler und Sohn einer italienischen Industriellenfamilie, der aber mit dem Erbe nichts zu tun haben will – was ihm nicht dauerhaft gelingen wird. Reno und Sandro sind bald verbunden in einer Art Liebe, aber auch dadurch, dass Reno mit einem Motorrad der Marke Valera ein Kunstprojekt auf einem Salzsee in Nevada plant.

Doch der Plot sorgt eben vor allem für den angenehmen Durchgang von Szene zu Szene. Die besondere Stärke der Autorin ist es, Momente zu beschreiben: Es gibt bestimmt 20 solcher Szenen in diesem Buch, die in Erinnerung bleiben, auf eine Weise, wie es nur Literatur vermag, weil sie Bilder mit Gedanken überlagert. Die Bilder von der Industriellenvilla oberhalb des Comer Sees etwa mit Renos Gefühlen der Erniedrigung. Die an einer Nebenfigur erzählte Geschichte einer radikalhedonistischen 68er-Terrorgruppe, das plötzliche Wackeln eines Motorrads auf der Überholspur.

Trotz der langen Strecke und der vielen Schauplätze durchzieht „Flammenwerfer“ ein Gefühl, auf dem Sprung zu sein, als läge der nächste Aufstand in der Luft. Im Nachwort stellt Kushner selbst Bezüge her, zu den Occupy-Demonstrationen, zu den Protesten in Griechenland. Die Konflikte mögen sich ändern, die Stimmung aber bleibt ähnlich – und diesem Roman gelingt es großartig, sie einzufangen.